Halb geglückt: Interreligiöser Dialog in Basel
Das Gebet ist die ohnmächtigste Form der Anteilnahme. Und so passte es ganz gut, dass der Basler Regierungsratspräsident Beat Jans das Gebet ins Zentrum eines Anlasses stellte, der eine versöhnende Wirkung entfalten sollte im eskalierten Nahostkonflikt, der auch in Basel zu Verwerfungen führte: Mahnwachen und Kundgebungen für Israel oder Palästina wurden von der Polizei wegen Sicherheitsbedenken verhindert. Dazu beklagten Vertreter:innen der jüdischen Gemeinde, sich in Basel nicht mehr sicher zu fühlen. Gegen Jans selber wurden berechtigte Vorwürfe laut, er habe sich als Regierungsratspräsident der Stadt des ersten Zionistenkongresses zu spät und zu zögerlich zum Terrorangriff der Hamas verhalten.
Jans hatte deshalb kurzfristig zum interreligiösen Treffen geladen: Repräsentant:innen des Islam, von Juden- und Christentum sollten kurze Gebete sprechen und «einander Respekt zusagen». 200 geladene Personen aus Politik, Gesellschaft, Religionen und Medien durften gestern Dienstag dazu ins streng gesicherte Rathaus kommen. Eine Hauruckübung für die Basler Verwaltung, wo die Dinge üblicherweise viel Zeit brauchen. Doch schon der Zugang war falsch gewählt: Warum wird der Nahostkonflikt – trotz unauftrennbarer historischer, politischer, ökonomischer und rechtlicher Zusammenhänge – zuvorderst als religiöse Auseinandersetzung gelesen?
Und genau der religiöse Zugang verkomplizierte die Sache dann noch. Dem Vernehmen nach hatte sich kein Imam von einer Teilnahme überzeugen lassen, was wiederum ein Rabbi, der bereits zugesagt hatte, als derart respektlos erachtete, dass er wieder absagte.
Die Andachtsstunde wurde dann leider auch zur Profilierungsstunde. Fragwürdig war, warum der diskreditierte «Extremismusexperte» Samuel Althof, der zuletzt durch Ankumpeln bei der neonazistischen Jungen Tat auffiel, eine Bühne erhielt. Fragwürdig war auch, weshalb der umtriebige Basler Pfarrer Lukas Kundert den grössten Auftritt hatte, obwohl ihm doch in diesem Konflikt und seinen Auswüchsen in Basel in keiner ersichtlichen Weise eine Rolle zufällt.
Ambivalent blieb auch der Auftritt von Beat Jans. Dieser will bekanntlich für die SP Alain Berset im Bundesrat ersetzen. So nutzte er die Gelegenheit, sein ramponiertes Bild in der Öffentlichkeit zu korrigieren: dass er sich lange nicht an die jüdische Gemeinde gewandt hatte, dass er nach dem Massaker der Hamas die Israelfahne zu spät und dann zu kurz am Rathaus anbringen hat lassen. Er bat dafür um Entschuldigung. Letztlich fehlte ihm das Sensorium für die richtigen Handlungen zur richtigen Zeit.
Jans demonstrierte Empathie, er wählte kraftvolle Worte, als er bekundete, dass er aus «tiefstem Herzen» mit den Betroffenen fühle. «Ich möchte ihr Leid teilen und die Wucht der Last mittragen», sagte er. Es tue ihm unendlich leid, dass Israel diesen Terror erleben müsse. Den Angriff der Hamas nannte er ein «historisches Verbrechen gegen die Menschlichkeit».
Doch es bleibt ein Versäumnis, dass er die gewaltsame Reaktion Israels auf den Angriff ausblendet und keine Worte für die Opfer des israelischen Luftkriegs und der Blockade Gazas übrighat. Dass er keine Sorge vor einer weiteren Eskalation formuliert. Wieder fehlt ihm das Gespür. Dieses Mal dafür, eine humanistische Position jenseits der aktuellen Gewalttaten einzunehmen.
Letztlich waren an diesem Treffen im Basler Rathaus die unwichtigen Stimmen zu laut und die wichtigen Stimmen zu dezent. Zum einen jene von Orah Mendelberg von der Reformsynagoge Migwan, die ihre Ansprache zu einer grundlegenden Menschlichkeit hinführte, zum Gedanken, dass «wir nicht auf die Welt kamen, um zu streiten und zu hassen». Zum anderen die Stimme der jemenitisch-schweizerischen Politologin Elham Manea, die von der «Last der Vergangenheit und der Gegenwart» sprach, vom Gedenken der Toten Israels und Palästinas und der bitteren Verbundenheit in der Trauer und im Schmerz.