Libanon: Hochgerüstet in die nächste Katastrophe
Unbekannte Hacker:innen haben am Sonntag am Beiruter Flughafen Botschaften gegen die Hisbollah erscheinen lassen. Statt wie üblich Informationen über die Flüge stand auf den Bildschirmen kurzzeitig zu lesen, die libanesische Miliz dränge den Libanon in einen Krieg gegen Israel. Eine Nachricht richtete sich direkt an den Chef der Organisation: «Hassan Nasrallah, Sie werden bald keine Anhänger mehr haben, wenn Sie den Libanon zu einem Krieg verdammen, für den Sie die Verantwortung und die Konsequenzen übernehmen müssen.» Wer hinter dem Hackerangriff steht, ist bisher unklar.
Auch wenn die Aktion nicht repräsentativ ist, zeigt sie doch ein Stimmungsbild aus dem Libanon. Viele Menschen in dem krisengeplagten Land fürchten einen weiteren Tiefpunkt. Die heimische Wirtschaft war 2019 zusammengebrochen, was einen grossen Teil der Bevölkerung in Armut stürzte. Seit mehr als einem Jahr wird das Land von einer Übergangsregierung mit begrenzten Befugnissen regiert, weil sich die zerstrittenen Politiker:innen nicht auf ein neues Staatsoberhaupt einigen können.
Der Gazakrieg hat das Land in eine Rezession geworfen. Seit Beginn des Krieges kommt es an der Südgrenze des Libanon regelmässig zu Schusswechseln zwischen der israelischen Armee und der mit der Hamas verbündeten Hisbollah. Bisher beschränkten sich die Gefechte auf die Grenzgebiete. Doch seit der Tötung des Hamas-Vizechefs Saleh al-Aruri am 2. Januar in Beirut durch eine israelische Drohne wächst die Sorge, dass sich der Krieg auch auf den Libanon ausweiten könnte. Israelische Politiker:innen erneuerten am Sonntag ihre Drohungen, mit militärischer Gewalt gegen die vom Iran unterstützte Hisbollah vorzugehen. Ebenfalls am Wochenende meldete die Hisbollah einen massiven Beschuss israelischer Gebiete.
Ob das alles nur ein Kräftemessen oder der Auftakt zu einer neuen Eskalation ist, lässt sich derzeit noch nicht einschätzen. Es ist eine sehr sensible Situation, denn die Hisbollah hat ein sehr viel grösseres Waffenarsenal als die Hamas. Je mehr die Hisbollah den Libanon in einen Krieg hineindrängt, desto grösser ist die Gefahr, dass das Leid so vieler unschuldiger Betroffener auf allen Seiten immer weitergeht. Je länger Israel den Gazastreifen bombardiert, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit eines umfassenden regionalen Krieges.