Nach Gaza nun der Libanon
Gestern Abend veröffentlichte die israelische Armee eine Videoanimation, in der sie behauptet, dass die Hisbollah fast 500 Millionen US-Dollar in einem Tunnelsystem unter dem Al-Sahel-Krankenhaus im Süden Beiruts, bunkert. Dadurch, so ihre Argumentation, missbrauche die Hisbollah zivile Infrastruktur. Angegriffen haben die israelischen Streitkräfte dieses Spital bis jetzt nicht. In unmittelbarer Nähe eines anderen Krankenhauses jedoch, dem Rafik-Hariri-Spital, wurden dreizehn Menschen durch israelische Bomben getötet. Während die Animation des angeblichen geheimen Geldbunkers der Hisbollah die Runde macht, wächst im Libanon die Angst, dass bald ein Angriff auf das Al-Sahel-Krankenhaus folgen könnte.
Die israelische Armee geht im Libanon ähnlich rücksichtslos vor wie bei ihren Operationen im Gazastreifen. So gelangen auch Wohnhäuser in ihr Visier, unter den Opfern und Verletzten sind immer auch Zivilist:innen. Auch vor Institutionen der Uno macht sie nicht halt: Analog zu den wiederholten Angriffen auf UNRWA-Einrichtungen in Gaza hat sie im Libanon bereits mehrfach Stellungen der Uno-Blauhelmtruppen Unifil angegriffen. Zudem hat sie in der Nacht auf Montag zahlreiche Filialen der «Al-Qard al-Hassan»-Bank bombardiert. Die Bank gilt als Finanzinstitut der Hisbollah. Sie half während der Wirtschaftskrise aber auch Hunderttausenden, vor allem schiitischen Libanes:innen mit Kleinkrediten aus.
Die perfide Logik hinter diesen Angriffen: Ob es eine von der Hisbollah-Miliz betriebene Gesundheitseinrichtung, Finanzinstitute, von denen die Bevölkerung abhängig ist, oder gar völkerrechtlich installierte Uno-Missionen sind – alles, was Israel in irgendeiner Weise mit der Hisbollah in Verbindung bringt, wird zum legitimen Ziel. Obwohl sich die meisten Angriffe auf Gebiete konzentrieren, in denen die Hisbollah ihre Machtbasis hat, bombardiert die Armee auch Häuser in anderen Teilen des Landes. Vorvergangene Woche beispielsweise im christlichen Dorf Aitou im Norden des Libanon: Über zwanzig Menschen starben, darunter Frauen und Kinder. Sie waren Vertriebene aus anderen Landesteilen.
Die Botschaft an die libanesische Gesellschaft ist klar: Wer Geflüchtete aus der schiitischen Gemeinschaft aufnimmt – die den Grossteil der Vertriebenen ausmachen –, riskiert, dass sein Haus bombardiert wird. Die zwangsläufige Folge ist eine wachsende Angst und Paranoia gegenüber der schiitischen Gemeinschaft sowie die Isolation der 1,2 Millionen Vertriebenen, die bereits jetzt schwer traumatisiert sind. Dies ist verheerend für den sozialen Zusammenhalt in einem Land, dessen Staat bankrott und unfähig ist, dieser humanitären Katastrophe zu begegnen.