Die nackte Wahrheit

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Filmstill aus «Mit einem Tiger schlafen»: Birgit Minichmayr als Maria Lassnig in der Kunstgalerie

«Das is grauenvoll, wie ihr das gmacht habt!» Sagts und humpelt kurz darauf leicht gebückt aus der Galerie. Ihre Bilder seien doch «keine Bodenfeger», man müsse sie höher hängen, «sonst zieh ich die Ausstellung zurück». Die österreichische Malerin Maria Lassnig (1919–2014) hat es sich und ihrer Umgebung nie leicht gemacht. Und der neue Film über ihr Leben macht es seinem Publikum auch nicht grad einfach. Aber das ist schon recht so.

Das Ereignis von «Mit einem Tiger schlafen» ist Birgit Minichmayr als Maria Lassnig. Gebannt folgt man ihr in alle Haupt- und Nebenkammern einer gequälten, aber keineswegs verkümmerten Künstlerinnenseele hinein. Meist landen wir dabei über kurz oder lang in einer spartanischen Atelierwohnung – in Paris, New York oder Kärnten –, wo Lassnig in Unterwäsche oder im Trainer einer Eingebung entgegenlauert. Es wirkt, als ob da jeweils etwas direkt aus ihrem Körper auf die Leinwand springen würde.

Wer eine klassische Filmbiografie erwartet, ist bei der Wiener Regisseurin Anja Salomonowitz an der falschen Adresse. Doch man erfährt viel über das verwachsene Labyrinth eines Ichs und auch über Lassnigs Gemälde, diese amorphen Selbstporträts und surrealen Parodien, bis hin zum titelgebenden Akt mit Tiger. Erzählt wird auch, einmal mehr, die bittere Geschichte einer Künstlerin, die ein Leben lang verkannt wird. Erst als sie alt, krank und müde ist, ruft man sie zur grössten österreichischen Malerin aller Zeiten aus. Bloss mag sie dann nicht mehr mitmachen.

Aufs Ende hin wird der Film immer sperriger, weil der Innenraum von Lassnigs Gefühlen immer enger, wortkarger und kauziger wird. Da ist sie schon über neunzig, sitzt zusammengekrümmt im Rollstuhl und will ihren Assistenten dazu bringen, in einem ihrer Bilder noch schnell den Himmel blau auszumalen, weil sie das selber nicht mehr schafft. Und wir sind zurück am Anfang, als Lassnig im Kinderbett einen schwarzbraunen Holzbalken anstarrt und beim Nachdenken über «die erschreckende Relativität der Farben» zur Künstlerin wird. 

«Mit einem Tiger schlafen». Regie: Anja Salomonowitz. In: Solothurn, Canva Club, So, 26. Januar 2025, 14.15 Uhr.