Wenn Wölfe gegen LGBTQ+ spazieren

Am Wochenende kam es in der türkischen Metropole Istanbul zu einer ungemütlichen «Familienzusammenkunft»: Einige Tausend Menschen trafen sich im Stadtteil Fatih zu einer Demonstration gegen die «Vergiftung durch das LGBTQ+-Virus» und die «Zerstörung der Sitten durch die Homo-Verirrten». Die Demonstration lief offiziell unter dem Namen «Grosse Familienzusammenkunft mit Kundgebung».

Zum Sonntagsspaziergang angestachelt hatten im Vorfeld Organisationen aus dem Umfeld der Regierungsparteien AKP und MHP, darunter verschiedene islamistische Sekten oder die rechtsextremen Grauen Wölfe. Unterstützung bekamen die Ver­an­stal­ter:in­nen auch von staatlicher Seite: Die RTÜK, oberste staatliche Regulierungsbehörde der Fernseh- und Radiostationen des Landes, hatte im Vorfeld einen Spot zur Mobilisierung für die Demonstrationen allen privaten Rundfunkstationen zur Veröffentlichung empfohlen. Die Behörde tut dies regelmässig, um «Themen, Ereignisse und Entwicklungen zu verbreiten, die für die Gesellschaft von öffentlichem Interesse sind», wie in ihrer Satzung festgehalten ist.

«Wenn auch du dich der weltweiten LGBT-Propaganda in den Weg stellen willst, wenn auch du dieser imperialistischen, familienfeindlichen Ideologie, die die menschliche Spezies zu vernichten versucht, eine Absage erteilen willst, dann nimm auch du Teil an unserer grossen Familienzusammenkunft», hiess es im Spot. In den sozialen Medien gabs freilich auch Gegenwind: Der Hashtag #NefretYürüyüşüneHayır (Nein zur Hasskundgebung) gehörte zu den meistverwendeten des Wochenendes.

Dabei war es nicht der Fernsehspot, der online am heissesten diskutiert wurde, sondern die Aufnahme eines – aus heutiger Sicht – blutjung wirkenden Politikers aus dem Jahr 2002. Der sagt: «Eins ist klar: Homosexuelle haben ein Anrecht auf ihre Freiheiten. Wir müssen diese rechtlich schützen.» Beim Politiker handelt es sich um Recep Tayyip Erdoğan – der sich vor seinem ersten Wahlsieg noch auf Stimmenfang in liberalen Kreisen befand.
Julie Schilf hat die dickste Haut im Getümmel: Im «Zoo» auf woz.ch stellt sie klar, was wichtig ist.