Zürich, nimmst du deine Kunst ernst?

Die Stadt Zürich hat manchmal etwas Mühe, die Bedeutung ihrer historischen Kunstströmungen zu begreifen und etwas Sorge zu ihren Hinterlassenschaften zu tragen. So war es schon bei der Geburtsstätte der Dada-Bewegung, dem Cabaret Voltaire im Niederdorf, dessen Bedeutung die Stadt lange ignorierte. Jetzt wiederholt sich das Theater mit dem Haus Konstruktiv: Die Stadt will dieses auf Ende 2025 von seiner jetzigen Adresse vertreiben, um dort als Teil einer Klimastrategie eine Energiezentrale zu bauen. Mir scheint, die Damen und Herren bei der Stadt haben noch nicht ganz verstanden, was hier auf dem Spiel steht.

Die konstruktive und konkrete Kunst ist neben Dada die zweite Kunstströmung, die es von Zürich aus zu weltweiter Bedeutung geschafft hat. Das Haus Konstruktiv, wo die bedeutendste Sammlung derartiger Kunst lagert und ausgestellt wird, ist also ziemlich wichtig. Doch nun geht es um seinen Standort im Unterwerk Selnau. Das ehemalige Industriegebäude an der Sihl ist ein schönes Beispiel des Neuen Bauens, also einer anderen prägenden Strömung der Moderne. Die konstruktive und konkrete Kunst passt da vortrefflich hinein; dass man sie 2001 dort beheimatet und das Gebäude für Millionen Franken in ein Museum umgebaut hat, ist kein Zufall. Und schliesslich: Was braucht ein Museum, um seinen Auftrag zu erfüllen, seine Sammlung und sein Wissen zu präsentieren? Genau, Publikum! Und das findet sich bekanntlich leichter mitten in der Stadt, in Gehdistanz zum Bahnhof, als irgendwo weiter draussen. Die Sache ist eigentlich klar, darum ist es nicht erstaunlich, dass zahlreiche Prominente aus der Kulturszene bereits die Petition «Das Museum Haus Konstruktiv muss bleiben!» unterzeichnet haben.

Und schliesslich, liebe Stadt Zürich, ist es einfach nicht cool von euch, Kultur und Klima gegeneinander auszuspielen. Ihr könnt es an jeder anständigen Demo hören: Wir lassen uns nicht spalten! Es ist die Aufgabe des Staates, diejenigen besonders zu schützen, die keine mächtige Lobby haben, also die Kultur und den Planeten. Wenn ihr wirklich glaubt, das sei in diesem Fall die «einzige umsetzbare Lösung», dann müsst ihr vielleicht noch mal über die Bücher.

Fakten, Fakten, Fakten: Der Oberleguan rückt im «Zoo» auf woz.ch regelmässig die Dinge zurecht.