Ein progressives «Nur Ja heisst Ja»!

Am Montagabend debattierte der Nationalrat über die Revision des Sexualstrafrechts. Mit ziemlich überraschendem Ausgang: Die grosse Kammer stimmte der progressiven «Nur Ja heisst Ja»-Lösung zu, die Feminist:innen, die Ratslinke und viele Expert:innen gefordert hatten. 


Dabei hatten die Gegner:innen auch im Nationalratssaal geflissentlich ihr Mantra wiederholt: Diese Zustimmungslösung sei faktisch eine Beweislastumkehr und vor Gericht nicht praktikabel. Zu den vehementesten Verfechter:innen der vom Ständerat bevorzugten «Nein heisst Nein»-Lösung gehören der Mitte-Nationalrat Philipp Bregy und sein Walliser Parteikollege und Ständerat Beat Rieder. Wer für die Zustimmungslösung sei – dafür also, dass Sex künftig nur nach gegenseitiger Zustimmung als einvernehmlich gelten soll –, ist für Rieder und Bregy im Grunde einfach etwas prüde. Oder wie soll man die folgenden Aussagen sonst verstehen? Es gehe um eine positive oder negative Sichtweise auf Sex, so die Mitte-Parlamentarier jeweils in der Debatte. Man müsse davon ausgehen, dass «ein sexueller Kontakt in aller Regel im gegenseitigen Einverständnis erfolgt und nicht als unwillkommener Übergriff empfunden wird – ausser eine der beiden beteiligten Personen sagt Nein».

Zwar würde auch die «Nein heisst Nein»-Lösung einen Fortschritt gegenüber dem aktuell geltenden Sexualstrafrecht bringen: Dieses wertet eine Vergewaltigung nur als solche, wenn der Täter sein Opfer vaginal penetriert und es zum Sex nötigt, also körperlich überwältigt oder mindestens bedroht. In diesem Gesetz spiegelt sich tatsächliche Prüderie: Frauen wurden viel zu lange zu passiven sexuellen Wesen degradiert. Sie hatten die moralische Sittsamkeit zu hüten, aber dem Mann als Lustobjekt zu dienen, verschämt Nein zu hauchen, aber Ja zu meinen.

Rieder machte sich in der Ständeratsdebatte Sorgen um «Väter, Brüder, Ehemänner». Dabei wäre der Unterschied zwischen den Modellen in der juristischen Praxis wohl in vielen Fällen klein: Bei «Nur Ja heisst Ja» müsste die Anklage künftig beweisen, dass das Opfer keine verbale oder nonverbale Zustimmung zum sexuellen Akt gegeben hat. Bei der «Nein heisst Nein»-Lösung wiederum, dass seine verbal oder nonverbal ausgedrückte Ablehnung übergangen wurde.

Umso entlarvender ist der bürgerliche Kampf gegen die Zustimmungslösung. Diese erklärt die Frau definitiv zum aktiven sexuellen Subjekt – wie vielen Parlamentarier:innen das nach wie vor Angst macht, wird sich in der Differenzbereinigung zwischen den Räten zeigen.

Fakten, Fakten, Fakten: Der Oberleguan rückt im «Zoo» auf woz.ch regelmässig die Dinge zurecht.