Film: Zerfurchter Fortschritt

Nr. 18 –

Filmstill aus «King’s Land.»: Mads Mikkelsen als Ludvig Kahlen
«King’s Land.» Regie: Nikolaj Arcel. Dänemark /Deutschland /Schweden / Norwegen 2023. Jetzt im Kino.

Wir befinden uns im Dänemark des 18. Jahrhunderts, im Zeitalter von Voltaire und Rousseau. Der grösste Wunsch von König Frederik V. ist es, die angeblich unfruchtbare Heidelandschaft Jütlands zu besiedeln. «Macht euch die Erde untertan», heisst es schliesslich, und jedem anständigen Protestanten muss eine solche Wildnis, wo noch Wölfe, Landadlige und andere Räuber:innen herrschen, ein Gräuel sein. Zahlreiche sind gescheitert an ihrer Zivilisierung. Aber Ludvig Kahlen (Mads Mikkelsen) glaubt, mit der Kartoffel (importiert aus einer zwei Jahrhunderte früher «zivilisierten» Landschaft) die Träume seines Königs erfüllen und sich, trotz «niedriger» Herkunft, in den Adelsstand hieven zu können. Doch, warnt ihn sein Gegenspieler De Schinkel (Simon Bennebjerg), ein so lächerlicher wie sadistischer lokaler Despot, kämen die Dinge erstens nie so, wie man sie plane, und zweitens seien «Gott und das Leben» ohnehin nicht mehr als «Sex, Scheisse, Blut und Chaos». So erklärt er es seinem Rivalen Kahlen erst freundlich, dann mit mehr und mehr illustrativen Methoden.

Kahlen, der weder an Gott noch Chaos noch den Wert der Wildnis glaubt, gräbt unbeirrt weiter seine Furchen ins Feld. Die Kartoffeln überleben Frost und Sabotage, der König schickt zur Eroberung der Heide Siedler:innen aus Deutschland (die historischen «Kartoffeldeutschen»). Doch die angestammten Mächte setzen sich noch einmal zur Wehr, und die Dinge kommen tatsächlich anders als gedacht.

Wenn bereits die allegorische Anlage der Figuren oft etwas chaotisch geraten ist und diese eher unterkomplex einen manichäischen Gut-Böse-Dualismus repräsentieren, so beginnt sich auch dieser nordische Western immer mehr wie ein klassischer zu verhalten: wie einer, in dem man es noch gänzlich unproblematisch fand, wie im Namen des «Fortschritts» die ursprüngliche Landschaft und Bevölkerung Nordamerikas «zivilisiert» wurden. Wer aber mag schon keine klassischen Western? Vor allem, wenn man darin immer wieder das zerfurchte Gesicht von Mads Mikkelsen sehen kann, seinem gelobten Land entgegenblickend.