CU there : Wir freuen uns auf euch!

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Auf dem Rückweg in die heimische Begegnungszone, mit Lisa Vollmers halb gelesenem Buch «Strategien gegen Gentrifizierung» und Fotos von Antigentrifizierungsstickern im Gepäck, frage ich mich, was ich jetzt damit machen soll.

Aufwertung, Gewinnmaximierung, Verdrängung, Kapital, Pionierphase, Linksautonome, Überakkumulation, Subkultur, Governance, soziale Mischung, Urbanität, Finanzialisierung, Kreativschaffende, Renditeökonomie, Authentizität, Mittelschicht, Transformatives Community Organizing – als ich schon kurz davor bin, ein Glossar gegen die Begriffsverzweiflung anzulegen, flattert das tägliche «Immomailing» rein, der selbstorganisierte Newsletter für Wohninserate in und um Zürich. Helle und geräumige «Oasen» an charmanter und attraktiver Lage werden da angepriesen, «Traumwohnungen», und wer schnell genug zugreift, kann sich sogar einen «Umzugsbonus» sichern. 2,5-Zimmer-Wohnungen für 3000 Franken, WG-Zimmer für 1390 Franken.

I don’t know, Leute. Was sich dazu noch sagen lässt. Was nicht schon längst gesagt wurde. Was nicht schon an den Hauswänden steht: «GENTRIFICKT». So zu lesen im Umkreis der heimischen Begegnungszone. Was nicht schon durchanalysiert ist, in den Buzzwords des noch zu erstellenden Glossars. Nächste Frage also: Wie kommen wir da wieder raus? Und wer ist dieses Wir eigentlich? 

Nehme mir vor, das Wir zu suchen. Tricky Sache, weil sich selbstverständlich auch das Bedürfnis nach Community und Verbundenheit gegen uns verwenden lässt. Lokale Identitäten müssen sich abgrenzen und produzieren so Ausschlüsse; und wer sich bereits für eine Initiative engagiert, soll gefälligst im eigenen Stadtkreis bleiben und nicht damit beginnen, Kämpfe zu verbinden. Teile und herrsche: «Gemeinschaft» werde im neoliberalen Kontext abgeschlossen und widerspruchsfrei gedacht, so Vollmer. Lauter kleine, vereinzelte Einheiten, glatt-glänzende Bubbles, die sich jeweils um ihre Themen kümmern. 

Vollmer sieht im universalistischen Anspruch von beispielsweise Mieter:innenprotesten – wie der Initiative «Wir bleiben alle» in Berlin – einen Versuch, Unterschiede positiv zu betonen. Dieses Wir erschafft keine ausschliessende Identität, keine starren Grenzen, sondern ist durchlässig: nachbarschaftlich. Wer hier wohnt, darf und soll sich engagieren, egal wie frisch zugezogen, wie einkommensstark oder wie marginalisiert. 

Wie schön, dieser Gedanke. Ganz unironisch. Ich öffne unseren Siedlungschat. Da werden Gummistiefel angeboten, Nachtbauarbeiten beschimpft und Kinderkleider verteilt. Ausserdem suchen wir noch Helfer:innen für das jährliche Siedlungsfest. «Wir freuen uns aufs Fest, auf den Herbst und auf euch!» CU beim Kinderkarussell! 

Schriftsteller:in Laura Leupi (29) streift in der Kolumne «CU There» durch Begegnungszonen in Zürich und schreibt immer freitags über öffentlichen Raum, Zugänglichkeit und Verdrängung.