Friedensnobelpreis: Einladung zum Krieg

Nr. 42 –

Warum die venezolanische Oppositionspolitikerin María Corina Machado den Friedensnobelpreis nicht verdient hat.

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María Corina Machado hält eine Ansprache in Caracas, Venezuela
María Corina Machado Foto: Jimmy Villalta, Imago

Es gab schon schlimmere Fehlentscheidungen des Komitees, das den Friedensnobelpreis vergibt: Der damalige US-Aussenminister Henry Kissinger etwa bekam ihn 1973 – in jenem Jahr war er aktiv am blutigen Putsch gegen den chilenischen Präsidenten Salvador Allende beteiligt. Mit Barack Obama wurde 2009 der US-Präsident ausgezeichnet, der als erster den Einsatz von Drohnen in formal nie erklärten Kriegen befahl. María Corina Machado dagegen, der dieser Preis in der vergangenen Woche zugesprochen wurde, war lediglich an einem gescheiterten Putsch beteiligt und versucht seit Jahren, die USA in einen Krieg gegen Venezuela zu treiben.

Der gescheiterte Putsch spielte sich 2002 in Venezuelas Hauptstadt Caracas ab. Eine Einheit der Armee hatte sich gegen den damaligen Präsidenten Hugo Chávez erhoben, hatte ihn festgenommen und auf einen Militärstützpunkt verschleppt. Eine Gruppe von rechten Oppositionspolitiker:innen, unter ihnen Machado, ernannte dann eilends den Industriellen Pedro Carmona zum Übergangspräsidenten. Carmonas Amtszeit währte nur 36 Stunden. Die rebellische Einheit war schnell isoliert, und Chávez kehrte ins Amt zurück.

Für eine militärische Intervention in Venezuela wirbt Machado schon lange. So sass sie 2005 mit dem damaligen Präsidenten George W. Bush auf dem Sofa im Weissen Haus, um für Unterstützung für die rechte Opposition zu weibeln. Die zweite Wahl von Donald Trump begriff sie sofort als Chance. In Venezuela könne der US-Präsident «einen enormen aussenpolitischen Sieg in sehr kurzer Zeit» erlangen, erklärte sie dem Fernsehsender Fox News. Um öffentlich eine explizite Einladung zum Krieg auszusprechen, ist sie zu klug, doch ihr aussenpolitischer Berater Pedro Urruchurtu sagte über den gewünschten Sturz von Präsident Nicolás Maduro unverblümt: «Es muss mit Gewalt sein.»

Machado kündigte an, sie sei bereit, nach einem Sturz des autokratischen Präsidenten mit ihrer Rechtspartei Vente Venezuela (etwa «Komm her, Venezuela») die Kontrolle über das Land zu übernehmen. Sie habe einen detaillierten Plan für die ersten hundert Stunden und die ersten hundert Tage. Unter anderem will sie die Erdölindustrie privatisieren und versprach in diesem Zusammenhang US-Konzernen in einem Interview Gewinne von 1,7 Billionen Dollar. Venezuela verfügt über die weltweit grössten bekannten Erdölreserven, und Machado weiss, dass Trump ein Auge darauf geworfen hat.

Dass der US-Präsident in den vergangenen Wochen eine Kriegsflotte vor der Küste Venezuelas auffahren liess und sie stetig verstärkt, wird von ihr offen begrüsst. Sie hat auch kein Problem damit, dass Trump rechtswidrig fünf Boote versenken liess, auf denen angeblich Drogen transportiert wurden. «Es geht darum, Leben zu retten», sagte sie. Die Leben der mindestens 27 Zivilist:innen, die bei diesen Angriffen getötet wurden, kann sie damit nicht gemeint haben.

Die 58-jährige Machado kommt aus einer der reichsten Familien Venezuelas. Ihr Vater besass eines der grössten Stahlwerke des Landes. Sie ging zunächst auf eine elitäre katholische Mädchenschule und schloss ihre Schulbildung, wie in diesen Kreisen üblich, in den USA ab. An der katholischen Universität in Caracas wurde sie dann zur Wirtschaftsingenieurin ausgebildet und arbeitete eine Zeit lang im Familienunternehmen. Unter Chávez wurde ein Teil dieses Betriebs verstaatlicht, was sie diesem nie verziehen hat.

Seit über zwanzig Jahren engagiert sie sich politisch, gründete 2002 die Bewegung Súmate (Mach mit), um Chávez mit einer Volksabstimmung zum Rücktritt zu zwingen. Die Abstimmung fand 2004 statt, Machado verlor sie haushoch. Innerhalb der Opposition konnte sie lange nicht richtig Fuss fassen, ihre stramm neoliberalen Vorstellungen waren selbst der Rechten zu radikal. Das roch zu sehr nach Selbstbereicherung der Elite, zu der sie selbst gehört.

Erst bei den Wahlen im Jahr 2024 kam ihre Chance: Machado wollte für die Präsidentschaft kandidieren, wurde aber vom Wahlrat ausgeschlossen, weil sie in ihrer Zeit als Parlamentarierin ihr Vermögen nicht richtig deklariert habe. Sie schickte den farblosen ehemaligen Diplomaten Edmundo González ins Rennen und hat mit ihm die Wahl wohl gewonnen. Maduro aber liess das Ergebnis zu seinen Gunsten manipulieren. Seither versteckt sie sich und tritt nur noch selten öffentlich auf.

Den Friedensnobelpreis erhalte Machado, heisst es in der Erklärung des Komitees, «für ihre unermüdliche Arbeit, demokratische Rechte für die Menschen von Venezuela zu fordern, und für ihren Kampf um einen gerechten und friedlichen Übergang von einer Diktatur zu einer Demokratie». Da hat die Jury wohl nicht so genau hingeguckt.