Venezuela: Es wird einsam um Nicolás Maduro

Nr. 35 –

Die Reaktionen auf den umstrittenen Wahlsieg des venezolanischen Machthabers sind erstaunlich: Während gewichtige frühere Verbündete auf Distanz gehen, geben sich die USA handzahm.

Kundgebung für Maduro Ende August in Caracas
Nach der Wahl konnte Maduro zahlreiche Menschen mobilisieren, Ende August machen in Caracas nur noch wenige Stimmung für den Präsidenten. Foto: Maxwell Briceño, Reuters

So hatte sich wahrscheinlich niemand die Wochen nach der Präsidentschaftswahl in Venezuela vorgestellt; weder Präsident Nicolás Maduro noch die Opposition, die unter der Führung der ultrarechten Politikerin María Corina Machado den farblosen pensionierten Diplomaten Edmundo González als Herausforderer präsentiert hatte. Machado selbst war als Kandidatin ausgeschlossen worden, weil sie angeblich als Abgeordnete ihr Vermögen falsch deklariert hatte.

Laut der Wahlbehörde hat Maduro den Urnengang vom 28. Juli mit knapp über fünfzig Prozent der Stimmen gewonnen. Anders als bei früheren Wahlen aber wurden die Listen mit den Ergebnissen der einzelnen Wahllokale bis heute nicht veröffentlicht. Die Opposition behauptet, sie sei im Besitz von Kopien von achtzig Prozent dieser Listen, und danach habe González mit zwei Dritteln aller Stimmen gewonnen. So weit war der Ausgang noch absehbar. Es wäre eher erstaunlich gewesen, wenn eine Seite den Sieg der anderen anerkannt und nicht «Betrug!» gerufen hätte. Auch dass die Opposition in den Tagen nach der Wahl Zehntausende Menschen auf die Strasse gebracht hat und die Regierungsseite mit ähnlichen Demonstrationen konterte, gehört zu den üblichen Ritualen. Neu sind vor allem die internationalen Reaktionen.

Gratulation nur zum Wahlkampf

Gratulationsanrufe anderer Präsidenten wie bei solchen Anlässen üblich blieben nahezu aus. Nur ein paar der üblichen Verdächtigen griffen zum Telefon: Russlands Wladimir Putin, Kubas Miguel Díaz-Canel, Nicaraguas Daniel Ortega und Xiomara Castro, die Präsidentin von Honduras. Maduro hatte sicher erwartet, dass sich auch die Staatschefs anderer links regierter lateinamerikanischer Staaten bei ihm melden würden. Aber die gingen auf Distanz. Brasiliens Luiz Inácio Lula da Silva forderte zusammen mit seinen linken Kollegen Gustavo Petro, Kolumbien, und Andrés Manuel López Obrador, Mexiko, Maduro auf, Beweise für seinen Wahlsieg vorzulegen. López Obrador sagte schlicht: «Wenn es Zweifel gibt, zählt man die Stimmen noch einmal.»

Am Donnerstag vergangener Woche hat nun der Oberste Gerichtshof letztinstanzlich entschieden, dass Maduro die Wahl vom 28. Juli gewonnen habe. Auch er veröffentlichte keinerlei Beweise. Maduro aber dürfte die Unterstützung von drei in Lateinamerika schwergewichtigen Präsidenten verloren haben. Sie hatten ihn bislang gegen die aggressive Sanktionspolitik der USA verteidigt. Aber auch die USA verhielten sich diesmal nicht reflexartig. Man hätte erwarten können, dass sie González als rechtmässigen Präsidenten anerkennen würden. Aber US-Aussenminister Antony Blinken gratulierte ihm nur «zu seinem erfolgreichen Wahlkampf». Einzig Javier Milei, der rechtsextreme Präsident Argentiniens, will in Zukunft im Oppositionskandidaten den rechtmässigen Präsidenten Venezuelas sehen.

Die USA sind nach über zwei Jahrzehnten voller Versuche, erst den linkspopulistischen Präsidenten Hugo Chávez, dann seinen Nachfolger Maduro zu stürzen, vorsichtiger geworden. Ihre Sanktionen bewirkten, dass das venezolanische Erdöl, nahezu alleiniger Devisenbringer, heute auf westlichen Märkten nicht mehr verkauft werden kann. Sie haben 2002, 2020 und 2021 drei rechte Putschversuche unterstützt. Und sie haben 2019 den damaligen Parlamentspräsidenten Juan Guaidó zum neuen Gesicht der Opposition aufgebaut und ihn, als er sich selbst zum Präsidenten des Landes erklärte, sofort als solchen anerkannt. Ein paar Dutzend weitere Länder folgten. Guaidó hatte damals behauptet, Maduro habe die Präsidentschaftswahl 2018 nicht gewonnen; also gebe es keinen Präsidenten und er müsse als Parlamentspräsident einspringen. Maduro sass seinen Gegenpräsidenten einfach aus. Der wurde mehr und mehr zur Witzfigur und lebt heute in den USA im Exil.

Repression nach Vorbild

Dass die USA mit ihrer Unterstützung der Opposition diesmal zurückhaltender sind, hängt am ehesten mit dem Wahlkampf zu Hause zusammen. Jeder offene Konflikt könnte neue Migrationsbewegungen auslösen. Von den rund 32 Millionen Venezolaner:innen haben 8 Millionen das Land wegen der katastrophalen Wirtschaftslage bereits verlassen. Wenn noch mehr von ihnen bei den USA anklopften, würde das dem republikanischen Kandidaten Donald Trump nützen. Der wirft den Demokrat:innen völliges Versagen in der Einwanderungspolitik vor.

Es ist absehbar, dass sich die Proteste in Venezuela mit der Zeit verlaufen. Der allergrösste Teil der Bevölkerung ist mit dem täglichen Überlebenskampf beschäftigt. Wer trotzdem auf die Strasse geht, ist staatlicher Repression ausgeliefert. Rund drei Dutzend Menschen wurden am Rand von Demonstrationen bereits getötet, über 2000 verhaftet. «Das ist nur der Anfang», drohte Douglas Rico, der Chef der Kriminalpolizei. Maduro spricht von einer «extrem rechten faschistischen Verschwörung» gegen ihn. Er nähert sich immer mehr dem nicaraguanischen Autokraten Daniel Ortega, der seit den Massenprotesten gegen seine Regierung 2018 mit Repression gegen alle vorgeht, die er für Oppositionelle hält. Er ist international weitgehend isoliert, seine Macht im Land aber scheint nicht gefährdet zu sein.