Waffenruhe in Gaza: Keine Vision für echten Frieden
Es ist zumindest eine Atempause: Die 20 überlebenden Geiseln sind zurück in Israel, die Rückführung von 28 getöteten Geiseln hat begonnen, fast 2000 palästinensische Gefangene sind frei. Im Gazastreifen sind die Kriegshandlungen eingestellt. Der unter der Ägide von US-Präsident Trump ausgehandelte Deal ist also prinzipiell gut angelaufen. Nun kommt die zweite Phase der Verhandlungen. Und da geht es ans Eingemachte: Was soll mit der Hamas geschehen? Und zieht sich Israels Militär wirklich komplett aus dem Gazastreifen zurück?
Diese nun zur Diskussion stehenden Fragen verharren allerdings in der Bewältigung des Istzustands. Darin, die akutesten Probleme irgendwie zu meistern, mit temporären Lösungen. Eine Vision für langfristigen Frieden, für eine gerechte Lösung des Konflikts – endlich, nach über 75 Jahren Krieg, Verbrechen, Hass – fehlt.
Die Grundprobleme in diesem Konflikt – die israelische Besetzung palästinensischer Gebiete auf der einen, die Militanz palästinensischer Organisationen samt Ablehnung Israels auf der anderen Seite – werden nicht angegangen. Nicht einmal die seit Jahren zumindest in der westlichen Welt als einzige gangbare Lösung diskutierte Zweistaatenlösung kommt wirklich in Donald Trumps Plan vor. Dieser sieht zwar vor – wenn man ihn diesbezüglich wohlwollend interpretiert –, dass die Palästinensische Autonomiebehörde dereinst als Kontrollinstanz nach Gaza zurückkehren könnte. So wären zumindest die beiden palästinensischen Gebiete Gaza und das Westjordanland wieder unter einer Hand vereint. Das könnte eventuell, eines Tages und nur bei einer signifikanten Haltungsänderung der israelischen Regierung, zu neuen Verhandlungen über eine Zweistaatenlösung führen.
Auf der anderen Seite sieht der Trump-Plan zwar vor, dass die Hamas in Gaza keine Rolle mehr spielen darf, sich entwaffnen muss. Doch gerade demonstriert sie, im Schutz der Waffenruhe, gegenüber der Bevölkerung ihre Stärke. Sie patrouilliert wieder vermehrt auf den Strassen. Sie begleicht offene Rechnungen mit Kriminellen, die während des Krieges etwa der Bevölkerung Hilfsgüter stahlen. Und sie geht gegen Zivilist:innen vor, die es gewagt hatten, sich – meist nur verbal – gegen sie zu stellen.
Also verbleibt die Gesamtsituation in etwa so wie vor dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel und dem darauffolgenden Krieg im Gazastreifen: Israel unter der rechtsextremen Regierung von Benjamin Netanjahu besetzt weiter palästinensisches Gebiet. Und in Gaza regiert weiter die Hamas, deren Charta die Auslöschung Israels vorsieht.
Die politische Gemengelage ist also die gleiche – nur dass Gaza zu grossen Teilen unbewohnbar gemacht wurde, beide Gesellschaften noch viel mehr traumatisiert sind.
Wie kommt man aus dieser Spirale heraus? Donald Trump hatte jüngst für Bewegung gesorgt: auf israelischer Seite wie auf jener der arabischen Verhandlungspartner. Mit einer Kombination aus Druck, betonter Nähe und der Verkündung von Fortschritt, bevor es ihn tatsächlich gab. Wenn Trump wollte, könnte er weitergehen und in der arabischen Welt einmal mehr deutlich machen, dass Israel ein Teil der Region ist und nicht verschwinden wird – vor allem nicht durch Terror. Und zugleich Druck auf Israel erzeugen, die Verhandlungen für eine Zweistaatenlösung endlich wiederaufzunehmen.
Das wird Trump allerdings kaum tun: Denn in seiner Politik zählen schnelle Erfolge. Noch einen weiteren Krieg der Liste der angeblich von ihm bereits beendeten hinzuzufügen, ist ihm wichtiger als ein langwieriger echter Friedensprozess. Es wäre am Rest der internationalen Gemeinschaft, hier die Federführung zu übernehmen. Passieren wird aber auch das nicht. Sie hat es ja auch nicht geschafft, dem Sterben ein Ende zu bereiten und sich wirklich um einen Frieden zu bemühen. Also bleibt Palästinenser:innen wie Israelis nur eine Atempause. Und die Hoffnung auf ein erneutes Momentum – irgendwann.