Patricia Wedler (1973–2023): Gute Nacht, Freundin

Nr. 25 –

Der Himmel über dem östlichen Sektor der Stadt Zürich ist leer und dunkel. Keine Rotorengeräusche von Helikoptern, die das Unispital anfliegen, bloss das monotone Prasseln der Regentropfen, die einen heissen Juniabend zu vorgerückter Stunde herunterkühlen. Es sind späte Tränen, die da aus dem Firmament kullern für eine Frau, über deren Tod ich am frühen Nachmittag per SMS informiert worden war. «DJ Patex ist gestorben» – so die knappen Zeilen auf dem Display.

Auf dem Bildschirm des Klapprechners vor mir flackert ein eben erst hochgeladenes Video. Silvester 2005, aufgenommen in der «Weltbühne» in Hamburg. Vorne am Mikrofon: Patricia Wedler mit Rotweinglas und Zigarette, wie sie das von herrlichem Siebziger-Jahre-Pathos durchwirkte Reinhard-Mey-Lied «Gute Nacht, Freunde» intoniert, zufrieden grinsend und souverän performend, unbeschwert und unbeirrbar. Es ist dieses Grinsen, hinterlegt mit grossherziger Gutmütigkeit, das mich zurückkatapultiert in jenen Sommer im Jahr 2000, als die aus Würzburg stammende, eben nach Hamburg umgesiedelte Künstlerin für ein paar Wochen in Zürich logierte, um ihren damaligen Lebensgefährten Knarf Rellöm dabei zu unterstützen, die lustige Sue-Ellen-Bar auf dem Kiesplatz zwischen Dynamo und Limmat zu schmeissen. Unzählige Bands gastierten dort, mal vor wenigen Leuten, mal vor tobender Menschenmasse. Mittendrin: Frau Wedler, die hinter der zusammengeschusterten Theke stand und den Stammgast mit einem verwegenen «Na, alles klar?» begrüsste. Manchmal sahen wir uns nur aus der Ferne, manchmal standen wir nebeneinander hinter den Mikrofonständern und sangen zweistimmig: «I’m Mr Blue / I’m here to stay with you. / When you’re lonely / I’ll be lonely too.» Gute Zeiten. Sehr gute Zeiten waren das.

Und DJ Patex machte weiter, als sie längst wieder aus Zürich abgerauscht war. Sie schrieb als Kulturjournalistin für die WOZ und die Berliner «taz», war städtebaulich sowie subkulturell aktiv und musizierte erst an der Seite von Knarf Rellöm, später dann mit ihrer eigenen Combo School of Zuversicht, die 2010 mit «Randnotizen from Idiot Town» debütierte und nach langem Schweigen das fulminante Album «An allem ist zu zweifeln» (2021) vorlegte. Ein Werk, das Wedler – bei der 2017 die unheilbare Nervenkrankheit ALS diagnostiziert worden war – auf der Höhe ihrer Schaffenskraft zeigt. Es wird nachhallen. Für immer.