Kurd:innen in der Türkei : Versöhnung und Konfrontation
Als die PKK am Wochenende den Rückzug ihrer Kämpfer:innen aus der Türkei versprach, war das – nach der im Mai angekündigten Selbstauflösung – eine weitere historische Wegmarke: Die kurdische Arbeiter:innenpartei, die in der EU noch immer als Terrororganisation gilt, bewies damit ihr Interesse an der Suche nach einer Friedenslösung mit der türkischen Regierung. Der Präsident des Parlaments in Ankara, Numan Kurtulmuş, hatte wenige Tage zuvor seinerseits einen überraschenden Schritt gemacht: Er bezeichnete die Verwendung der Muttersprache als Grundrecht – ein Hinweis darauf, dass die Türkei Kurdisch als Landessprache anerkennen könnte. Zuvor war auf dem offiziellen X-Account des Parlaments eine Meldung auf Kurdisch veröffentlicht worden.
Die Friedensgespräche zwischen Regierung und PKK gewinnen damit weiter an Dynamik. Eine parlamentarische Kommission ist im Einsatz, verfassungsmässige Rechte für Kurd:innen werden ebenso diskutiert wie eine Amnestie für PKK-Kämpfer:innen und deren Unterstützer:innen. Zahlreiche Kurd:innen sind geflohen, um Verurteilungen oder drohenden Strafen zu entgehen – mit einer Amnestie könnten sie zurückkehren. Eine Klärung entsprechender rechtlicher Fragen dürfte schnell erfolgen, da Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Unterstützung der Kurd:innen braucht, um die Verfassungsreformen durchzubringen, die ihm eine dritte Amtszeit ermöglichen würden.
Allerdings gibt es noch grössere Hindernisse: Das heikelste Thema sind die syrischen Kurd:innen – ihre Autonomie ist den türkischen Machthabern ein Dorn im Auge. Die Regierung in Ankara hofft, dass PKK-Gründer Abdullah Öcalan die Milizen in Nordsyrien zur Aufgabe ihres autonomen Gebiets bewegt. Doch Öcalan dürfte kaum als derjenige in Erinnerung bleiben wollen, der diese historischen Errungenschaften zerstört.
Am Montag forderte ein PKK-Sprecher den Abzug türkischer Einheiten aus Syrien. Die türkische Regierung hingegen hat erst kürzlich eine Verlängerung des Einsatzes in Nordsyrien beschlossen – und gefährdet damit den Friedensprozess. Nur mit einer Lösung dieses Interessenkonflikts aber kann auch die «Kurdenfrage» in der Türkei friedlich gelöst werden.