Äthiopien: Menschen umsiedeln, das Land verpachten

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In einem an diesem Dienstag veröffentlichten Bericht erhebt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) schwere Vorwürfe gegenüber der äthiopischen Regierung: Sie würde indigene Gruppen aus der Gambella-Region im Westen des Landes zwangsweise umsiedeln. 70 000  Personen seien davon betroffen. Ziel der Regierung sei es, Land frei zu bekommen, um es an ausländische InvestorInnen zu verpachten. Wer sich gegen die Umsiedlung wehre, werde von staatlichen Sicherheitskräften bedroht.

Die Regierung bestreitet die Vorwürfe und behauptet, die Umsiedlungen im Rahmen ihres sogenannten Villagization-Programms geschähen nur auf freiwilliger Basis. Ziel des Programms sei es, dass die Menschen «Zugang zu sozioökonomischer Grundinfrastruktur» erhalten. HRW hat jedoch über hundert Interviews mit Betroffenen geführt. Diese berichten von Drohungen und Gewalt. Zudem habe sich nach der Umsiedlung herausgestellt, dass sich die öffentliche Versorgung nicht verbessert hat, im Gegenteil. So fehlt es in den neuen Dörfern an Nahrungsmitteln, aber auch an Schulen. Die Menschen in Gambella – Angehörige der indigenen Gruppen der Anuak und der Nuer – besitzen meist keine offiziellen Besitzurkunden für das Land, auf dem sie seit Generationen leben.

Die äthiopische Regierung plant, im Rahmen des Programms bis 2013 insgesamt rund 1,5 Millionen Menschen aus vier Regionen umzusiedeln. Äthiopien hat bereits über 30 000  Quadratkilometer seines Staatsgebiets an ausländische InvestorInnen verpachtet, das entspricht etwa der Grösse Belgiens. Weitere 21 000  Quadratkilometer sollen noch folgen.

Die bisherigen ausländischen PächterInnen von äthiopischem Land stammen laut Angaben der Regierung aus 36 Ländern, darunter etwa Indien, China, Pakistan und Saudi-Arabien. Meist handelt es sich dabei um Agrokonzerne, die in Äthiopien Produkte für den Export anbauen: Ölpalmen, Reis, Mais, Rohrzucker und Baumwolle. Gambella ist laut der britischen Zeitung «Guardian» im Zentrum eines «globalen Ansturms auf billiges Land». HRW kritisiert nicht nur die äthiopische Regierung, sondern auch ausländische GeldgeberInnen, die die Regierung unterstützten. Die Organisation fordert Staaten wie Britannien und die USA, aber auch die Weltbank und die Europäische Union auf sicherzustellen, dass ihre finanzielle Hilfe für das Land «nicht Zwangsumsiedlungen und den damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen Vorschub leistet».

Daniel Stern