Musikvielfalt-Initiative: Die Klassik muss keine Angst haben
Droht den Basler Orchestern der Kahlschlag? Die Basel Sinfonietta rechnet «mit grosser Wahrscheinlichkeit mit deutlichen Kürzungen», und das Sinfonieorchester Basel schreibt: «Im schlimmsten Fall wäre sogar unsere Existenz bedroht.» Ausgehen soll die Bedrohung von der Musikvielfalt-Initiative, über die nun in Basel-Stadt abgestimmt wird. Sie will, dass ein Drittel des jährlichen Budgets, mit dem Basel Musik fördert, ans freie Musikschaffen geht. Die Initiative lässt offen, ob das durch Umverteilung oder Erhöhung des Budgets geschehen soll. Heute fliessen rund neunzig Prozent der Gelder an Institutionen, die ältere oder neuere klassische Musik spielen.
Die Prophezeiungen der Gegner:innen sind Angstmacherei. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass im reichen Basel mit seiner gut bestückten Klassikabteilung ein etabliertes Orchester zum Sparen gezwungen wird. Für eine Erhöhung des Musikbudgets – es geht um schätzungsweise vier bis acht Millionen Franken – bräuchte es im Grossen Rat neben den linken nur zwei Stimmen der Bürgerlichen, unter denen die Orchester eine gute Lobby haben.
Das Anliegen der Initiative wird auch bei einem Nein nicht verschwinden, weil es berechtigt ist. Unter welch prekären Bedingungen freischaffende Musiker:innen oft arbeiten, ist immer besser bekannt. Wenn es in der Schweiz möglich sein soll, über eine gewisse Zeit hochstehende Popmusik zu machen, ohne in eine Erschöpfungsdepression zu fallen, wäre mehr Geld – insbesondere für Projekt-, Mehrjahres- und Strukturförderung, wie es die Initiative ebenfalls fordert – eine gute Basis.
Traditionspflege der europäischen Klassik ist wichtig – leider wird ihr gegenüber ein Grossteil der zeitgenössischen Popmusik abgewertet. Das zeigt auch die starke Ungleichheit bei der Förderung. Es ist ein schlauer Zug der Initiant:innen, nicht einfach mehr Geld für die freie Szene zu fordern, sondern ins Wespennest zu stechen und die Ungleichheit infrage zu stellen. So ist die Basler Abstimmung für die ganze Schweiz interessant: als Anstoss zur Diskussion über eine Musikförderung, die den künstlerischen und den gesellschaftlichen Gegebenheiten der Gegenwart gerecht wird.