Attentat auf Miguel Uribe: Staatskrise in Kolumbien

Nr. 24 –

Ein Attentäter hat in Kolumbien den Oppositionspolitiker Miguel Uribe angeschossen. Das könnte vor allem der ohnehin schon angeschlagenen Linksregierung schaden.

Diesen Artikel hören (4:52)
-15
+15
-15
/
+15
Senator Miguel Uribe bei einer Debatte zur Reform des Arbeitsschutzes
Von einem Auftragsmörder am Pfingstsamstag schwer verletzt: Senator Miguel Uribe, hier am 13. Mai während der Debatte zur Reform des Arbeitsschutzes. Foto: Fernando Vergara, Keystone

Nach dem Attentat auf Oppositionspolitiker Miguel Uribe droht Kolumbien eine politische Blockade. Der 39-jährige Senator der Rechtspartei Centro Democrático ist am Pfingstsamstag von einem Minderjährigen bei einer Wahlkampfveranstaltung angeschossen und schwer verletzt worden. Obwohl der mutmassliche Täter, ein erst fünfzehnjähriger Auftragsmörder, gefasst wurde, herrscht über die Drahtzieher des Attentats nach wie vor Rätselraten. Senator Uribe, der nicht verwandt ist mit Expräsident Álvaro Uribe (2002–2010), bewirbt sich innerhalb der politischen Rechten um die Präsidentschaftskandidatur, galt aber keineswegs als gesetzt.

Knatsch um Arbeitsreform

Trotzdem unterstellte US-Aussenminister Marco Rubio der Mitte-Links-Regierung von Präsident Gustavo Petro schon wenige Stunden nach dem Anschlag, sie sei für das Attentat verantwortlich. In einer scharfen offiziellen Erklärung sprach Rubio von einer «direkten Bedrohung der Demokratie» und forderte Kolumbiens Präsident auf, er solle «seine Propagandarhetorik mässigen und die kolumbianischen Mandatsträger schützen».

Für Präsident Petro kommt die Staatskrise alles andere als gelegen, denn das Regierungslager hatte sich gerade erst von einer schweren Krise erholt. Nachdem Petro im Februar nach zahlreichen Konflikten die meisten Minister:innen entlassen und die Armee gestärkt hatte, waren Teile der Linken zum Präsidenten auf Distanz gegangen (siehe WOZ Nr. 19/25). Doch mit erstaunlichem Geschick war es Petro zuletzt gelungen, die sozialen Bewegungen wieder hinter sich zu versammeln. Gemeinsam mit Gewerkschaften und Bäuer:innenorganisationen mobilisierte der linkspopulistische Präsident für einen Generalstreik, mit dem er Druck auf das kolumbianische Parlament auszuüben versuchte.

Auslöser dieses Manövers war eine geplante Reform der Gesetze zum Arbeitsschutz. Das Projekt, das noch die alte Arbeitsministerin, die Kommunistin Gloria Inés Ramírez, auf den Weg gebracht hatte, sieht höhere Zahlungen für Feiertags- und Nachtarbeit vor und soll etwa 350 000 Auszubildenden den Mindestlohn garantieren. Weil die Mitte-Rechts-Parteien das Vorhaben im Kongress blockierten, kündigte Präsident Petro die Durchführung einer Volksabstimmung an. Ende Mai organisierten die wichtigsten Gewerkschaftszentralen einen Generalstreik – zur Unterstützung des Präsidenten und gegen das Parlament.

Die Macht der alten Eliten

Seitdem überschlagen sich die Ereignisse. Um die Volksabstimmung zu verhindern, verabschiedete das Parlament doch noch eine abgeschwächte Fassung des Reformpakets, die allerdings weder von den Gewerkschaften noch vom Präsidenten akzeptiert wird. Weil sich das Parlament in einer weiteren Abstimmung gegen das Referendum ausgesprochen hat, hat Petro angekündigt, die Volksabstimmung per Dekret anzusetzen. Ob dieser Schritt rechtens ist, ist umstritten. Dem progressiven Juristen Rodrigo Uprimny zufolge, ansonsten sicher kein Gegner der Regierung, müsste der Kongressbeschluss zunächst von einem Gericht annulliert werden. Solange das nicht der Fall sei, könne sich der Präsident nicht einfach darüber hinwegsetzen.

Das institutionelle Gerangel vermittelt einen guten Eindruck davon, wie schwierig die Lage der lateinamerikanischen Reformregierungen ist. Die Macht der alten Eliten in Parlamenten, Sicherheitsapparaten und Justiz ist so gross, dass sie fast jedes Reformvorhaben zu Fall bringen können. Tatsächlich hat Petro von seinen zentralen Wahlversprechen, für die er 2022 ins Amt gewählt wurde, nur ein einziges umsetzen können: eine Rentenreform.

Doch immerhin versteht es Kolumbiens Präsident, die Konflikte politisch nutzbar zu machen. Seit der Auseinandersetzung um die Arbeitsreform und das geplante Plebiszit sind seine Zustimmungswerte wieder deutlich gestiegen – auf jetzt immerhin 37 Prozent. Das Attentat auf Senator Miguel Uribe hingegen nützt im Augenblick vor allem der rechten Opposition: Neun Parteien haben diese Woche erklärt, dass die Vorbereitungen für die Wahlen 2026 nicht in den Händen der Regierung bleiben dürften.