Christine Nöstlinger (1936–2018): Alle Macht den Kindern

Nr. 29 –

Scharf beobachtend, humorvoll und klug – das war Christine Nöstlinger bis ins hohe Alter. Das zeigt sich in sehenswerten Interviews anlässlich ihres 80. Geburtstags, in denen sie auch zur politischen Entwicklung in Österreich kein Blatt vor den Mund nahm. Nun ist die mehrfach preisgekrönte Wiener Kinderbuchautorin mit 81 Jahren verstorben.

Gute Kinderbücher erkennt man daran, dass sie auch Erwachsenen gefallen. Christine Nöstlingers Bücher wie «Die feuerrote Friederike» oder «Wir pfeifen auf den Gurkenkönig» habe ich als Kind zwar verpasst, doch als sie mir irgendwann in die Hände fielen, las ich mich sofort fest. «Als ich zu schreiben begonnen habe, herrschte eine Aufbruchsstimmung nach dem Motto ‹Alle Macht den Kindern›», sagte sie im Interview mit dem österreichischen «Standard», bei konservativen Kritikern seien ihre Bücher am Anfang häufig angeeckt.

In der Welt ihrer kindlichen HeldInnen geht es um Konflikte und Probleme, sie kennt das Milieu, über das sie schreibt; da haben Eltern Eheprobleme und lassen sich auch mal scheiden, es gibt verunsicherte Väter, frisch verliebte Mütter, gemeine und clevere Kinder. Nöstlinger traf einen Ton, mit dem sich Kinder und Jugendliche identifizieren können, doch erzieherisch wirken wollte sie nicht. «Ich glaube, dass viele Kinder die sprachlichen Witze, die es bei mir gibt, nicht verstehen», sagte sie in einem Interview: «Im günstigsten Fall ist ein Kinderbuch auf zwei Ebenen geschrieben. Es gibt eine Story und die Story behind the story. Manche Kinder lesen nur die Story. Die Cleveren kriegen auch die Geschichte im Hintergrund mit.»

Christine Nöstlinger wurde 1936 in eine sozialdemokratische Arbeiterfamilie geboren, in der Hitler offen abgelehnt wurde, woraus auch vor den Kindern kein Hehl gemacht wurde. Als Kind erlebte sie die Bombenangriffe auf Wien, betont jedoch im Interview mit dem «Falter», dass diese Zeit relativ kurz gewesen sei – das Leid syrischer und irakischer Flüchtlingskinder von heute sei im Vergleich dazu viel grösser.

Christine Nöstlingers Lebenserinnerungen, die unter dem Titel «Glück ist was für Augenblicke» erschienen sind, unterhalten im Übrigen mindestens so gut wie ihre Kinderbücher.