Feministischer Streik 2023: Ich war dabei!
Mir tun immer noch die Füsse weh, aber es hat sich tausendfach gelohnt! Am Morgen hatte ich mich noch gefragt, weshalb der eigentliche Umzug erst um halb sechs Uhr anfängt – das ist doch kein richtiger Streik, dachte ich. Aber als ich mit Freundinnen am Bürkliplatz ankomme, ist der schon so belebt, dass meine Zweifel verfliegen. Hier gibts ein Konzert, es werden Liedertexte zum Mitsingen verteilt. Bloss nutzen die nichts – der Gesang geht im allgemeinen Gewusel unter, wir erkennen nicht mal, welches Lied grad dran ist. Doch dass die Sängerinnen einen Riesenspass haben, ist erkennbar.
Inzwischen ist es halb sechs, es ist laut und lustig, der Umzug sollte beginnen, aber die Menge steht. Plötzlich erkenne ich eine Frau neben mir, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Genau so hab ich mir das vorgestellt, wir plaudern und verlieren uns wieder. Die Menge wogt, aber sie bleibt am Platz. Der Lärm aus Sprechchören, Trillerpfeifen, Musikanlagen ist unbeschreiblich. Auf beiden Seiten des Platzes haben sich längst Züge formiert. Doch es bewegt sich nichts. Eine alte Dame in Begleitung einer jungen Frau hat sich erschöpft auf eine Bank gesetzt, die junge Frau fragt, warum nichts vorwärtsgeht, wir wissen es auch nicht. Plötzlich kommt aus der Menge eine vertraute WOZ-Kollegin auf mich zu, die mehr weiss: Der Zug wurde gestoppt, im Niederdorf gab es einen Brand, die Feuerwehr musste durch. Wir sagen es der jungen Frau, die es der alten Dame auf Spanisch übersetzt.
Direkt neben mir ertönt plötzlich ein donnernder Paukenschlag: Mittendrin hat sich eine Frauengruppe mit Trommeln unterschiedlicher Grösse aufgestellt und gibt ein fantastisches – diesmal sehr hörbares – Konzert. Es ist atemberaubend, rhythmisch und mitreissend, und alle vergessen, dass sie eigentlich warten. Wir wippen und sind glücklich.
Über Lautsprecher teilt jemand mit, dass die Route geändert wurde: Es geht jetzt über die Bahnhofstrasse. Weil mich Massen, die sich in Bewegung setzen, verunsichern, schlängeln wir uns zum rechten Rand und laufen dort mit. Das ist aber der einzige rechte Rand, zu dem ich mich bewege, sagt meine Freundin. Wir liefen schon 1991 mit, und die Unkenrufe, die diesmal im Vorfeld ertönten, dieses Jahr sei alles ganz anders, da mobilisierten ja nur die Linken, erweisen sich als Schimäre. Es sind so viele tolle junge Frauen unterwegs, fast möchte ich heulen vor Freude. Es zeigt sich auch in diesem Jahr, dass der Feminismus längst von einer ganz jungen Generation mitgetragen wird.
Nach zwei Stunden kann ich nicht mehr, wir setzen uns vor eine Beiz am Wegesrand und lassen den Zug bei einem Bier an uns vorüberziehen – er hört und hört nicht auf. Dass sich einige bürgerliche Politikerinnen vom Streik distanzierten, ist wirklich allein deren Problem.
Tausend Dank an alle, die diesen 14. Juni möglich machten!