Film: Im Wald von Borneo

Die Affenmutter hat keine Chance. Rücksichtslos walzen die Bagger der Holzbaufirma den Regenwald nieder und fällen den Baum, auf dem die Äffin ihr Baby gesäugt hat. Wütend geht sie auf die Arbeiter los, die sie sofort erschiessen. Wer in «Sauvages» die Wilden sind, ist sofort klar. Claude Barras erzählt in seinem neuen Stop-Motion-Film die Geschichte der jungen Penan Kéria, die das Affenbaby bei sich aufnimmt, und ihres kleinen Cousins Selaï, der bald darauf zu ihr ins Dorf zieht. Die beiden trennen Welten: Selaï ist als Nomade im Wald aufgewachsen, in Kérias Augen ein Wilder. Als sich die beiden anfreunden und Kéria die Bräuche ihrer Ahn:innen kennenlernt, stellen sich ihr immer mehr Fragen. Wem gehört der Wald auf Borneo? Wie sollen sich die Penan ohne juristische Mittel und finanzielle Ressourcen gegen die Holzbaukonzerne wehren? Und wieso arbeitet ihr Vater für einen dieser Konzerne, die doch die Lebensgrundlage ihrer Familie im Wald zerstören?
Barras hat «Sauvages» in Zusammenarbeit mit NGOs umgesetzt, die sich auf Borneo für den Erhalt des Regenwalds einsetzen. Kindgerecht aufbereitet, vermittelt der Film die Hauptkonflikte um den Palmölanbau in der Region. Ganz undidaktisch – und so poetisch, dass er auch für Erwachsene ein Vergnügen ist. Eines Nachts begegnet Kéria Tepun, dem Waldgeist der Penan. Wie sie da so zwischen leuchtenden Pilzen und Glühwürmchen steht, fühlt man sich ins Ghibli-Universum versetzt; tatsächlich war Hayao Miyazakis Ökofabel «Prinzessin Mononoke» (1997) eine wichtige Inspiration für Barras.
«Sauvages» war in Cannes zu sehen und ist für den Schweizer Filmpreis und den französischen César nominiert – mit seinem Erstling «Ma vie de courgette» (2016) hat Barras damals beide gewonnen. Der Regisseur will seinen Film aber vor allem in den kleinen Kinosälen sehen. Hier sollen Diskussionen die Besucher:innen mobilisieren, um gegen die Zerstörung des Regenwalds aktiv zu werden. So viel Idealismus mag man belächeln. Aber Widerstand fängt nun mal im Kleinen an.