Klimakatastrophe in Afghanistan: Wenn das Wetter anders kommt
Dürren, Sturzfluten, Milliardenschäden: Afghanistan wird von der Erderhitzung besonders stark getroffen. Die internationale Isolation der Taliban verschärft die Lage – dabei haben diese das Problem mittlerweile sogar anerkannt.
Aus der Ferne ist das Dorf Elech Kemengir nur schwer zu erkennen. Chamäleonartig verschwinden die Mauern aus Lehm und Stroh im staubigen Boden der Landschaft im Norden Afghanistans. Nur die kleinen kuppelförmigen Dächer, die sich über die Häuser der 112 ansässigen Familien wölben, ragen deutlich empor. Seit Jahren hat es hier, in der Provinz Faryab, kaum geregnet. Und trotzdem, sagt der sechzigjährige Bauer Abdul Naim, sei er bei der Getreideaussaat im letzten Winter eigentlich hoffnungsvoll gewesen. «Das ist ein starker, fruchtbarer Boden», sagt er. Alles, was fehle, sei das Wasser.
Naim, ein grosser Mann mit weissem Bart und tiefen Falten im Gesicht, sitzt an einem Augustnachmittag in einem kleinen Zimmer seines Hauses. Perioden der Trockenheit habe es zwar auch in der Vergangenheit immer wieder gegeben, sagt er. Selten aber seien sie so häufig gekommen und so desaströs gewesen wie in den letzten Jahren. Er zeigt auf einen Stapel grosser weisser Getreidesäcke in einer Wandnische hinter ihm: sieben Säcke, genau 392 Kilogramm, die gesamte Sommerernte. Gerade genug, um sechs Monate lang Brot für seine dreizehnköpfige Familie zu backen. «Wir waren die Einzigen, die überhaupt so viel nach Hause bringen konnten.» Viele im Dorf hätten ihr verdorrtes Getreide einfach den Tieren überlassen.
Extrem exponiert
Es ist die vierte Dürre innerhalb von fünf Jahren. Im ganzen Land nimmt die Wasserknappheit zu, Flüsse schrumpfen zu Rinnsalen, Brunnen trocknen aus. Über 75 Prozent der Flächen im Norden, Süden und Westen Afghanistans sind gemäss Uno von Wüstenbildung betroffen. Gleichzeitig zerstören Sturzfluten und Überschwemmungen jedes Jahr die Lebensgrundlage Hunderttausender Afghan:innen. Mindestens drei Millionen Menschen sind in den letzten vier Jahren aufgrund klimatischer Ereignisse im ganzen Land vertrieben worden, sagt die Uno – das entspricht einem Drittel der Schweizer Bevölkerung. Nur wenige Länder spüren die Auswirkungen der globalen Klimaerhitzung bereits so deutlich wie Afghanistan.
Die ohnehin bestehende Ernährungsunsicherheit wird dadurch noch verschärft. Ein Drittel der rund vierzig Millionen Menschen in Afghanistan sind von Hunger bedroht. Die Wirtschaft liegt am Boden, seit die islamistisch-fundamentalistischen Taliban vor vier Jahren die Macht zurückerlangt haben. Das Land ist international isoliert; nur Russland erkennt die Regierung derzeit offiziell an. Nach Jahrzehnten der Konflikte und Kriege ist Afghanistan so schlecht auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet wie kaum ein anderes Land.
«Die Pflanzen wachsen einfach nicht mehr», sagt Abdul Naim. Er zeigt seinen kleinen Garten, an dessen Ende ein wenige Quadratmeter grosses Baumwollfeld liegt. Auf einem Stock leuchtet als Vogelscheuche eine weisse Jacke in der Sonne. Naim beginnt, die kleinen, weissen Büschel aus den Blüten zu reissen. Seine grosse Hoffnung, sagt er: Die Baumwolle brauche zwar mehr Wasser als der Weizen, könne sich dafür aber deutlich besser an die Hitze anpassen.
Sein Vater habe dieses Land vor fünfzig Jahren einem Auswanderer abgekauft, erzählt Naim, und zwar für den Preis von drei Kühen. Der Boden sei für seine Fruchtbarkeit bekannt gewesen; auf rund dreissig Hektaren habe seine Familie jeweils vom Winter bis im Frühsommer Weizen, Getreide und Sesam angebaut. Brunnenwasser habe es den Menschen in Elech Kemengir zudem erlaubt, in ihren Hinterhöfen Melonen, Tomaten und Kürbisse zu ziehen. Und sie hätten kleine Auffangbecken genutzt, um Regenwasser zu speichern oder solches, das sie von nahe gelegenen Bergflüssen abzweigten.
Irgendwann aber habe der Regen in der Region nachgelassen, und bald hätten die Menschen in den Dörfern flussaufwärts angefangen, immer mehr kleine Staudämme und Seitenkanäle zu bauen. Der Kemengir-Fluss, der dem Dorf einst seinen Namen gegeben hat, trocknete aus.
An der Aussenmauer von Naims Garten sind grosse blaue Plastiktonnen aneinandergereiht. Jede Woche fährt jemand von der Familie fast fünf Kilometer weit zu einer Versorgungsstelle, um Trinkwasser zu holen. Im Dorf gibt es mehrere Brunnen, die heute aber fast allesamt ausgetrocknet oder versalzen sind. «Wenn du das Wasser zu trinken versuchst, musst du es direkt wieder ausspucken», sagt Naim. Um dennoch durchzukommen, hat er vor ein paar Monaten einen eigenen kleinen Brunnen gegraben, vierzig Meter tief. Er wird von einem Generator betrieben, der an ein kleines Solarpanel angeschlossen ist. Die Installation reicht gerade aus, um seine Baumwollpflanzen zu bewässern.
Gemäss der afghanischen Umweltschutzbehörde Nepa sind die Temperaturen im Land seit den fünfziger Jahren bereits um über 1,8 Grad Celsius gestiegen – doppelt so stark wie im globalen Durchschnitt. Der Schnee in den Bergen schmilzt daher früher im Jahr, und seit den Neunzigern hat Afghanistan rund vierzehn Prozent seiner Gletschermassen verloren, aus deren Schmelzwasser sich viele der grossen Flüsse im Land speisen. Fiel der Niederschlag früher vor allem im Frühling und Winter, kommt er heute oft unvorhersehbar und so stark, dass der Boden das Wasser kaum aufzunehmen vermag.
All das verringert die Ernteerträge und treibt die Lebensmittelpreise in die Höhe. Rund siebzig Prozent der afghanischen Bevölkerung leben in ländlichen Gebieten, die Landwirtschaft ist der wichtigste Wirtschaftszweig im Land, und entsprechend heftig sind die Effekte: Laut einer Studie des Afghan Analysts Network, eines unabhängigen transnationalen Forschungsinstituts mit Sitz in Kabul, belaufen sich die wirtschaftlichen Klimaschäden in extremen Dürrejahren auf umgerechnet bis zu drei Milliarden Euro. So gross war im Jahr 2023 der gesamte afghanische Staatshaushalt.
Früher, erzählt Naim, habe er schlechte Ernteperioden kompensiert, indem er seine Söhne in die umliegenden Städte zum Arbeiten geschickt habe. Seit der erneuten Machtübernahme der Taliban vor vier Jahren gebe es dort aber kaum noch Geld zu verdienen (siehe WOZ Nr. 42/25). Um über die Runden zu kommen, webten die Frauen seiner Familie Teppiche, und die Männer arbeiteten als Tagelöhner in Kabul. Aber hätten sie dort früher in den Fabriken noch bis zu 400 US-Dollar im Monat verdient, seien es heute maximal 5 Dollar pro Tag. Erst vor einem Jahr sei die Familie gezwungen gewesen, 300 Schafe zu verkaufen, um das Geld für einen Traktor aufzubringen, den sie für Ernte und Aussaat benötige.
Schon mehrmals hätten sich die Dorfältesten der ganzen Umgebung an den Gouverneur der Provinz gewandt, um auf die Übernutzung der Flüsse aufmerksam zu machen. Bisher ohne Erfolg. Zwar hätten sich die meisten Bewohner:innen von Elech Kemengir längst mit den Taliban arrangiert. Von diesen sei aber ebenso wenig Hilfe zu erwarten wie von der vorherigen Regierung: Wenn sie der einen Seite Wasser gebe, fehle es auf der anderen, sagt Naim. «Sie können nichts machen.»
Klimaschutz erlaubt
Rund 460 Kilometer südwestlich, unweit des königlichen Palasts in Kabul, sitzt Rohullah Amin, der Leiter der Abteilung «Klimaschutz und Anpassung» der nationalen Umweltschutzbehörde Nepa, an seinem kleinen Schreibtisch. Der Weg in sein Büro führt vorbei an frisch gepflanzten Rosensträuchern, über graue Marmorstufen und durch leere Flure. Amin, ein kleiner Mann mit Gebetskappe und ordentlich gebügeltem Gewand, arbeitet seit 2012 für die Behörde. Viele seiner Kolleg:innen flohen ins Ausland, als die Taliban 2021 die Macht übernahmen. Amin blieb. Im islamischen Emirat ist er heute einer der höchsten Klimaschützer.
«Die Menschen leiden in Afghanistan besonders unter den Fluten und den Dürren, vor allem wegen unserer schwachen Infrastruktur», sagt er. Nach Jahrzehnten des Krieges gebe es kaum wirkungsvolle Mechanismen, etwa Frühwarnsysteme oder Wetterstationen, um das Land widerstandsfähig zu machen. Dem Mann, der in fliessendem Englisch spricht, ist schnell anzumerken, dass ihm der Klimaschutz am Herzen liegt.
Noch während ihrer ersten Regierungszeit in den neunziger Jahren hatten die Taliban nur schon das Vorhersagen des Wetters für unislamisch erklärt und verboten. Instrumente und Aufzeichnungen des meteorologischen Instituts in Kabul zerstörten sie. Diesmal sei es anders, sagt Afghanistanexpertin Shanthie D’Souza vom Mantraya Institute for Strategic Studies, einem unabhängigen Thinktank mit Sitz im indischen Goa: Afghanistans neue Machthaber hätten den Klimaschutz zu einem Teil ihrer politischen Agenda gemacht. «Sie haben längst erkannt: Wenn sie Legitimität erlangen wollen, dann müssen sie nicht nur Arbeitsplätze schaffen, sondern den Menschen auch dabei helfen, mit Naturkatastrophen wie Dürren und Sturzfluten umzugehen», sagt D’Souza.
Erst kürzlich hat die Nepa einen Zehnjahresplan entworfen, der allen Ministerien Klimaschutzrichtlinien vorgibt. Eine der Hauptherausforderungen liege jedoch noch immer darin, Bewusstsein und Wissen innerhalb der Regierung und auch der Bevölkerung zu schaffen, sagt Amin. Mehrfach habe die Umweltschutzbehörde schon Konferenzen mit Imamen in verschiedenen Provinzen organisiert, um zu diskutieren, wie sich die Klimaforschung mit der Auslegung der Scharia vereinbaren lasse und sich so auch Menschen in den ländlichen Regionen besser erreichen liessen. «Bis heute wissen die Menschen kaum über die Folgen der Klimakrise Bescheid», sagt Amin.
Bei der Bewältigung helfen soll auch das wohl grösste Infrastrukturprojekt der Taliban-Regierung: der Bau des rund 285 Kilometer langen Kusch-Tepa-Kanals, der im Norden des Landes durch die Provinzen Faryab, Dschuzdschan und Balch verlaufen und Wasser aus dem Amu-Darja-Fluss, der entlang der Grenze zu Usbekistan und Turkmenistan fliesst, abführen soll. Unter Hochdruck treiben die Taliban das Projekt voran, das bereits von der vorherigen Regierung initiiert worden war. Nach der geplanten Fertigstellung 2028 soll es dazu beitragen, mehr als eine halbe Million Hektaren Wüste in Ackerland zu verwandeln und für Hunderttausende Afghan:innen Ernährungssicherheit zu gewährleisten.
Die Nachbarländer fürchten, dass der Kanal die in weiten Teilen Zentralasiens bereits herrschende Wasserkrise verschärfen könnte. Bis heute ist zudem unklar, wie rasch das Wasser auch kleine Dörfer wie Elech Kemengir erreichen würde, denn dafür müssten zahlreiche Seitenkanäle gebaut werden. «Wir brauchen viel mehr Forschung, etwa zur Trockenheitsresistenz von Nutzpflanzen, zu Bewässerungssystemen in der Landwirtschaft oder zum Bau von Dämmen und anderen Geröllsperren, um Flussströme zu kontrollieren», sagt Rohullah Amin.
Ein internationales Dilemma
Knapp dreissig Milliarden US-Dollar, so schätzte die Nepa bereits 2020, benötigt Afghanistan allein bis ins Jahr 2030, um die Folgen des Klimadesasters zu bewältigen. Doch dem Land fehlen die Mittel. Die vor vier Jahren eingebrochene Wirtschaft bleibt aufgrund internationaler Sanktionen von den globalen Finanzströmen abgeschnitten. Noch immer ist Afghanistan in hohem Mass auf humanitäre Hilfe angewiesen, die für einen Grossteil der Gehälter etwa im Bildungs- und Gesundheitssektor aufkommt.
Die Geberländer stehen vor einem Dilemma: Viele wollen den Afghan:innen helfen, aber die Taliban-Regierung davon nicht profitieren lassen. Diese zeigt sich punkto Menschenrechte weiterhin wenig kompromissbereit. Im Gegenteil: Immer stärker haben die Machthaber um den Obersten Führer, Hibatullah Achundsada, gegen den der Internationale Strafgerichtshof in diesem Sommer einen Haftbefehl ausgesprochen hat, zuletzt die Rechte von Frauen und Mädchen beschränkt. Zudem wird der Regierung mangelnde Transparenz vorgeworfen: Bis heute hat sie nie ein vollständiges Haushaltsbudget offengelegt. Schätzungen zufolge fliesst ein Grossteil der verfügbaren Mittel in den Sicherheitsapparat.
Politisch bleiben die Machthaber damit weitgehend isoliert. Den afghanischen Uno-Sitz können sie bis heute nicht wahrnehmen, womit sie auch von der diesjährigen Klimakonferenz COP30 im brasilianischen Belém ausgeschlossen sind. Vor einem Jahr nahm zwar erstmals eine Taliban-Delegation teil, auf Einladung der damaligen aserbaidschanischen Gastgeber. Der Zugang zu offiziellen Gesprächen blieb der Gruppe, zu der auch Rohullah Amin gehörte, gleichwohl verwehrt.
Und damit auch zu Geldern etwa aus dem Loss and Damage Fund (vgl. «Wer bezahlt die Klimaschäden?» im Anschluss an diesen Text), die für mittellose Länder vorgesehen sind, die von den Effekten der Klimaerhitzung besonders stark getroffen werden. Für Länder wie Afghanistan also. Das Land brauche dringend Klimagerechtigkeit, sagt Amin – «wir haben schliesslich kaum zu den globalen Emissionen beigetragen», so der Klimaschutzbeamte. Seine Regierung hat in diesem Jahr auf internationaler Bühne stark für eine Teilnahme geworben, aber ohne Erfolg.
Während die Taliban-Regierung auf internationaler Ebene weiterhin klimapolitisch isoliert ist, suchen Afghan:innen vielerorts nach eigenen Lösungen. In Scheberghan, der Hauptstadt der Provinz Dschuzdschan, bloss etwa sechzig Kilometer südöstlich von Elech Kemengir, stehen an einem frühen Morgen die Schüler Rostam, Sahil und Olughbek im Hof der Afghan-Turk-Maarif-Highschool. Die Sonne steht noch tief, nur der Stadtverkehr ist über die Mauern der Schule hinweg zu hören. Mit einer Schaufel haben die drei Zwölftklässler kleine Rillen in den Sand gegraben und Modellbäumchen aus Plastik in die Erde gesteckt. Jedes ist mit winzigen Sensoren versehen, die durch rote und blaue Drähte mit einem Laptop verbunden sind. Von kleinen Flaschen mit gelbgrüner Flüssigkeit führen dünne Schläuche in den Boden. Eine Zuschauertraube, hauptsächlich Hochschullehrer, hat sich um die jungen Männer versammelt.
«Vor fünf bis zehn Jahren hatten wir noch sehr viel Wasser in vierzig Metern Tiefe», erzählt Rostam Seddiki, ein achtzehnjähriger Teenager im blauen Polohemd. Doch der Grundwasserspiegel sei in den letzten Jahren immer weiter gesunken, mittlerweile gebe es selbst in achtzig bis neunzig Metern Tiefe kaum noch Wasser. Schuld daran seien auch die zahlreichen Solarsysteme in der Region, sagt er: Um der Wasserknappheit zu begegnen, haben in den letzten zwei Jahrzehnten viele Bäuer:innen verstärkt auf solarbetriebene Brunnen gesetzt. Diese sind vergleichsweise kostengünstig im Betrieb – was den Wasserverbrauch vielerorts unkontrolliert ansteigen liess. «Wir dachten, wir müssen eine Lösung finden, und so kamen wir auf die Idee für dieses Projekt», sagt Seddiki.
Vier Monate lang habe er sich mit seinen zwei Kameraden jeweils nach der Schule getroffen, um zunächst an der Technik zu arbeiten. Zwei bis drei Stunden jeden Tag. Geholfen hätten auch die Lehrer ihrer Schule, die von der türkischen Regierung finanziert wird. «Leider konnten wir nicht alle Materialien in Afghanistan finden», sagt Seddiki. Also hätten sie einer KI ganz einfach ihre Lage in Afghanistan beschrieben und nach Anleitungen für die Entwicklung von Tropfbewässerungssystemen gefragt – und dann zu tüfteln begonnen.
Heraus kam das «Comprehensive Smart Irrigation and Fertilization System for Gardens», wie die drei Schüler ihre Bewässerungsmaschine nennen. Über kleine Sensoren an den Wurzeln werden der Feuchtigkeitsgrad, die Stärke der Blätter und der Gesundheitszustand einer Pflanze erfasst und an ein Computerprogramm übermittelt. Dieses steuert anschliessend die exakt notwendige Zufuhr von Wasser und Düngemitteln wie Stickstoff, Phosphor und Kalium. Ganz automatisch. «Der Vorteil ist, dass alles direkt zu den Wurzeln der Pflanzen gelangt», sagt einer der Kollegen von Rostam Seddiki. So werde der Ressourcenverbrauch minimiert.
«Grössere Sensoren könnten wir alle fünfzig Meter einsetzen», sagt Seddiki, «so liessen sich grössere Flächen abdecken und ganze Felder verstehen.» Weil das System per App von überall her steuerbar sei, lasse sich der Arbeitsaufwand deutlich reduzieren. Um aber brauchbare Systeme zu bauen, fehle es derzeit vor allem am technischen Gerät: an Sensoren, Kabeln und Ventilen, die in Afghanistan nicht zu bekommen seien.
So hoffen die drei Schüler auf Unterstützung. Von der eigenen Regierung, aber auch von internationalen Akteur:innen. «Wenn für die Landwirtschaft nur noch zehn Prozent des üblichen Wasserbedarfs nötig wären, würde das gegen die klimatischen Veränderungen und damit auch dem Land helfen», sagt Seddiki.
Die Sonne bewegt sich bereits auf den Horizont zu, als Bauer Abdul Naim aus seinem Garten heraustritt, um zu seinen Feldern ausserhalb des Dorfes zu gelangen. «Schudgaar», sagt er nur, während er über den trockenen Boden geht, auf dem lediglich vereinzelte verdorrte Sträucher zu sehen sind. Schudgaar heisst «Brachland» auf Turkmenisch: Auch nach jahrelanger Dürre wartet es darauf, neu bepflanzt zu werden – wenn es doch nur Wasser gäbe.
Naims Blick schweift hinüber zur alten Dorfschule, deren im Krieg zerschossene Wände im Abendlicht zu erkennen sind. Dann zu einem kleinen, verfallenen Wasserturm auf der anderen Seite des Dorfes. «Das alles wurde einst von der internationalen Gemeinschaft gebaut, um den Menschen zu helfen», sagt Naim. «Aber jetzt sind wir hier eben allein.»
Loss and Damage Fund: Wer bezahlt die Klimaschäden?
Nach jahrelangen Verhandlungen erfolgte 2022 ein Durchbruch: An der Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm el-Scheich einigten sich die Teilnehmerländer auf die Schaffung eines Fonds, der finanzschwache Staaten bei der Bewältigung jener Schäden unterstützen soll, die durch die Klimaerhitzung verursacht werden. Der Loss and Damage Fund befindet sich seither in der Aufbauphase.
Am anstehenden Klimagipfel in Brasilien werden nun weitere Details zur Funktionsweise des Fonds verhandelt. Zentraler Zankapfel bleibt die Finanzierung: Vor allem Länder aus dem Globalen Süden verlangen, dass die (emissions)reichen Staaten verbindliche Verpflichtungen einzugehen haben. Diese aber drücken sich auch in diesem Fall vor ihrer Verantwortung. Während Expert:innen in naher Zukunft jährliche Schadenssummen von Hunderten Milliarden US-Dollar erwarten, gingen beim Fonds bislang erst Zusagen über weniger als 800 Millionen Dollar ein. Nicht einmal die Hälfte davon wurde auch tatsächlich bereits überwiesen. Und die Schweiz hat bis heute weder Geld versprochen noch eingezahlt.
Die Forderung, dass die Hauptverursacher der Klimaerhitzung für die immer deutlicher hervortretenden Schäden aufzukommen hätten, stützte in diesem Sommer auch der Internationale Gerichtshof in Den Haag. In einem Gutachten unterstrich er die völkerrechtliche Verpflichtung, klimaschädliches Handeln zu beenden – und er befand, dass gegen fehlbare Staaten grundsätzlich auch Entschädigungsklagen erhoben werden können.