Sachbuch: Smart Power?

Nr. 19 –

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Buchcover von «Schweizer Kapitalismus. Erfolgsmodell in der Krise»
Arman Spéth, Dominic Iten, Lukas Brügger (Hrsg): «Schweizer Kapitalismus. Erfolgsmodell in der Krise». Mandelbaum Verlag. Wien und Berlin 2025. 255 Seiten.

Der russische Revolutionär Lenin soll während seines Exils in Zürich gescherzt haben: Wenn der Kapitalismus eines Tages überwunden sein sollte, könne die Schweiz als Museum einer dann untergegangenen Epoche dienen. So weit ist es noch nicht, und die Schweiz mischt tüchtig mit in einem globalen System, das einerseits gewaltigen Reichtum anhäuft, andererseits die Nichtprofitablen aussondert.

Trotzdem behaupten die drei Herausgeber eines eben erschienenen Sammelbandes, das «Erfolgsmodell» des Schweizer Kapitalismus befinde sich «in der Krise». Vielleicht ist deren Beginn bei den Banken zu suchen. Das Steuerparadies Schweiz kam spätestens in den neunziger Jahren unter Druck. Für den marxistischen Ökonomen Michael Roberts ist das einstige Steckenpferd der Schweizer Banken, «die geheimniskrämerische private Vermögensverwaltung», ein «Misserfolg». Deren Versuche, in die Liga der globalen Player aufzusteigen, hätten sich «als ein einziges Desaster» entpuppt.

Selbst die Neutralität, dieser «kleinstaatliche Opportunismus», wie es Mitherausgeber Dominic Iten formuliert, ist nicht mehr das, was sie einmal war. Die Auseinandersetzungen um die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg hätten gezeigt, dass dieser völkerrechtliche Status willkürlich ausgelegt werden konnte. Heute stehe das Konzept erneut zur Disposition. Iten schreibt: «In einer Zeit, in der die tonangebenden Mächte die Front zwischen dem Werte-Westen und einem autokratisch regierten Osten ziehen, macht sich der Neutrale unbeliebt.»

So smart, wie sich die Schweizer Eliten wähnen, sind sie wohl schon lange nicht mehr. Ihren Reichtum vermögen sie weiterhin zu mehren – derweil wächst auch in der Schweiz die Kluft zwischen «oben» und «unten». Wie lange wird dieses «Geschäftsmodell» noch Bestand haben? Ein Modell, das nicht zuletzt auf unbezahlter Arbeit von Frauen beruht, die dem Staat ermöglichen, bei den Sozialausgaben zu sparen, wie die Ökonomin Mascha Madörin in ihrem Beitrag nachweist.