CU there : Quartier Jugend Zürich (QJZ)

Also, die Suche nach dem Wir. Heute von oben, Züri-High-Life, Chreis Cash, Dolder-Downtown. (Okay, sorry.) Hier, in der Begegnungszone Römerhof, steht ein Schild, das ich schon im Sommer entdeckt habe und das mich übertrieben fest begeistert. Da steht:
Kommt runter und redet mit uns!
De Polizei ahlüte isch ih de meiste Fäll die richtig entscheidig [sic], aber au nöd ih allne – es Gspröch mit de Lüüt wo «störed» hilft scho viel!
Gezeichnet: die «Quartier Jugend Hottingen», in fancy Graffito-Schrift, und die OJA, Offene Jugendarbeit Zürich. I mean: Chasch no?! Erstens, Quartier Jugend Hottingen, das ist schon als Label so geil, ich würde Caps drucken und an die höchstbietenden Banker verscherbeln. Wie ist die QJH (let's gooo!) denn organisiert? Hat die RJZ / Andi Stauffacher dieses brachliegende Potenzial am Züriberg schon entdeckt?
Und dann dieses Sprachspiel: «Kommt runter», vom hohen Ross, vom Züriberg, vom Erregungslevel, vom Loft, vom Besserwissen, vom Kontrollzwang. Weil, Spass beiseite, die sogenannte Jugend wird in dieser Stadt tatsächlich meistens als Störfaktor wahrgenommen. Einem solchen Schild müssen diverse Konfliktsituationen vorausgegangen sein, empörte Nachbar:innen, Ruhestörungsmeldungen um 22.02 Uhr, unangenehme Begegnungen mit den Bullen. (Letztere anzurufen, ist meistens eben nicht die richtige Entscheidung, aber das ist eine andere Diskussion.) Und statt direkter Konfrontation die berühmte Faust im Sack.
Egal, wo sie sind, die Jugendlichen: Sie stören. Sie sind zu viel, zu laut, zu dreckig, sie stinken nach Axe-Deo (alles kommt zurück), und neuerdings vapen sie auch noch, Watermelon Gaga. Sie hören grauenhafte Musik, und was sind das für Hosen, Sascha, und muss das sein, Laura? Dort, wo sie sind, sollen sie nicht sein, nicht chillen, nicht skaten, nicht tanzen, nicht Red Bull trinken; in den Begegnungszonen sind die Bedürfnisse Jugendlicher selten mitgemeint und gefragt. Freiräume: zubetoniert, städtisch kontrolliert, mit Eintrittsschranken versehen.
Kommt ihnen das bekannt vor? Vielleicht sogar aus den achtziger Jahren? Züri brennt – immer no? Wobei die wohl kein Schild aufgestellt hätten. Ist sie eben doch verweichlicht, die Jugend, will nur reden mit den Bonzennachbar:innen. Oder artikuliert sich hier im Gegenteil ein selbstbewusstes Wir, das wie selbstverständlich den Dialog auf Augenhöhe sucht, die motzenden Erwachsenen literally auf die eigene Ebene (runter)holt? Zauberwort «Selbstwirksamkeit».
Aber was weiss ich schon, sie ist eh meistens eine Projektionsfläche, die Jugend, und selten ein Gegenüber. «Es Gspröch mit de Lüüt wo ‹störed› hilft scho viel!», das gilt nicht nur für die Quartier Jugend Hottingen. Am 17. November «erläutert» übrigens das Tiefbauamt die Pläne für die Umgestaltung des Klusplatzes. CU an der Informationsveranstaltung!
Schriftsteller:in Laura Leupi (29) streift in der Kolumne «CU there» durch Begegnungszonen in Zürich und schreibt immer freitags über öffentlichen Raum, Zugänglichkeit und Verdrängung.