PUK-Bericht: Dicker Wälzer, brisante Erkenntnisse

Der mit Spannung erwartete Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) beschreibt die Schweizer Demokratie im Klammergriff der Grossbanken.

Wäre Ueli Maurer weiterhin Finanzminister, dann müsste er spätestens mit der heutigen Veröffentlichung des Berichtes zum Untergang der Credit Suisse (CS) zurücktreten. Doch bekanntlich ist der SVP-Bundesrat schon abgetreten, und wie er Ende 2022 sein Amt verliess, sagt schon alles über seinen Umgang mit der kriselnden Grossbank: Bei einem persönlichen Treffen am 19. Dezember 2022 orientierte Maurer seine FDP-Nachfolgerin Karin Keller-Sutter bloss mit kurzen mündlichen Informationen über die Lage der Bank und beschrieb diese als stabil. Auch in zwei weiteren Telefongesprächen bis zum Jahresende unterstrich er die Stabilität, so schildert es die parlamentarische Untersuchungskommission in ihrem Bericht.

Dabei hatte die Grossbank im Oktober Hundert Milliarden von Kundengeldern verloren, was den Beginn eines massiven Liquiditätsabflusses markierte. Maurer traf deswegen gemeinsam mit dem damaligen Nationalbankpräsidenten Thomas Jordan wiederholt den CS-Verwaltungsratspräsidenten. An der vorgeschriebenen Krisenorganisation des Bundes vorbei – die Sitzungen waren geheim und wurden nicht protokolliert. Auch fand bereits eine Anfrage an den Konkurrenten UBS statt, ob dieser allenfalls die CS übernehmen könnte. Seine Kolleg:innen im Bundesrat informierte Maurer nur summarisch und nie schriftlich über die Probleme der Bank, und er schreckte auch nicht davor zurück, die Öffentlichkeit bewusst in die Irre zu führen: «Ich bin der Meinung, dass die CS die Kurve schaffen wird. Man muss sie jetzt einfach ein Jahr, zwei in Ruhe lassen», sagte er Mitte Dezember 2022 in einem SRF-Interview.

Dass all dies aus Unvermögen passierte, ist bei einem kommunikativ geübten Rechtspopulisten wie Maurer nicht vorstellbar, man denke nur an seinen Auftritt im «Freiheitstrychler»-Shirt als Gruss an die Corona-Verschwörungsszene. Nein, was sich im Verhalten des SVP-Bundesrates zeigt, ist eine an Dienstfertigkeit und Unterwürfigkeit gegenüber den Grossbanken nicht zu überbietende Amtsführung. Darin liegt denn auch die Stärke des 569 Seiten langen, knochentrocken geschriebenen, äusserst detailreichen PUK-Berichtes: Er beschreibt die Schweiz als Demokratie im Klammergriff der Grossbanken. Zugleich zeigt sich bei einer ersten Durchsicht auch eine Schwäche der Untersuchung, an der Vertreter:innen aller Parteien beteiligt waren. Sie ist in den Wertungen und Empfehlungen ein vorsichtiger Schweizer Kompromiss.

Zu Maurers öffentlicher Irreführung etwa heisst es fein austariert: «Für die PUK stellt sich die Frage, ob diese Äusserungen zum damaligen Zeitpunkt – im Wissen um die tatsächliche, kritische Lage der CS – angemessen waren.» Dass der SVP-Bundesrat die Bevölkerung zur Stützung einer Grossbank brandschwarz angelogen hat, müssen sich die Leser:innen selber denken.

Skandale, Gier und Druck

Die PUK unter Leitung der Freiburger Ständerätin Isabelle Chassot (Mitte) hatte den Auftrag, die Geschäftsführung der Bundesbehörden zu untersuchen. Die Geschäftstätigkeit der Grossbank erscheint also nur über den Spiegel des staatlichen Handels. Viele Fragen – etwa zu den Skandalen mit den Namen «Greensill», «Archeos» oder «Mozambik» – bleiben deshalb offen. Dennoch ist das Bild der Grossbank absolut verheerend. Zwei Zahlen aus dem Bericht genügen, um das Ausmass der finanziellen Gier der CS-Manager:innen zu beziffern: In den Jahren von 2012 bis 2022 zahlten sie sich 31,7 Milliarden Franken an Boni aus. Der Gesamtverlust, den die Bank wegen ihrer zahlreichen Skandale erzielte, betrug wiederum 32,2 Milliarden Franken. Die Boni der Banker und die Verluste, für die am Ende die Bevölkerung Garantien in Milliardenhöhe sprechen musste, halten sich also praktisch die Waage. Wobei die Banker ihre exorbitanten Prämien behalten durften und die Geschäftsleitungsmitglieder von der Finanzmarktaufsicht Finma für ihre ruinöse Praxis nicht kausal belangt wurden.

Dass die Bank in dieser Phase praktisch schalten und walten konnte, wie es ihr am besten passte, war durchaus politisch so gewollt, wie die PUK konstatiert: Gehörte die Schweiz nach der Finanzkrise von 2008 mit dem Beinahe-Kollaps der UBS noch zu den Staaten, die bei der Too-Big-To-Fail-Regulierung vorwärts machten, so erlahmte der Reformeifer auf Druck der Grossbanken bald. Spätestens 2016 mit dem Wechsel des Finanzdepartementes von der damaligen BDP-Bundesrätin Evelyne Widmer-Schlumpf zu Ueli Maurer wurden diese wieder bevorzugt behandelt: «Der Bundesrat kam den Grossbanken bei der Weiterentwicklung der Regulierung verschiedentlich entgegen, obwohl namentlich die Finma und die Nationalbank gegenteilige Positionen vertraten», heisst es im Untersuchungsbericht. Auch das rechtsbürgerlich dominierte Parlament prägte diesen Kurs entscheidend mit. Wie genau lobbyiert wurde und warum Bundesrat und Parlament nachgaben, bleibt im Bericht leider ungeklärt.

Hinzu kam, dass die Finma mit der geltenden Regulierung zwar eine intensive Aufsichtstätigkeit ausübte, diese aber bei der Credit Suisse wirkungslos verpuffte. Trotz zahlreicher Aufforderungen, Stresstests und Enforcementverfahren wegen Verstössen gegen die Aufsicht reihte diese Skandal an Skandal. Die CS habe sich gegen die zahlreichen Interventionen der Finma «renitent» gezeigt, so die PUK. Bei den Bemühungen leistete sich die Aufsicht zudem einen gravierenden Fehler: Als fatal erweist sich im Rückblick ein sogenannter «regulatorischer Filter», den die Finma der Credit Suisse 2017 bezüglich der Rechnungslegungsvorschriften bewilligte – dies ebenfalls auf Druck der Grossbank. Fern der technischen Details hatte dieser Filter einen enorm schönfärberischen Effekt in Bezug auf die Eigenmittel der CS. Ohne die Verzerrung wäre die Eigenmittelquote schon 2022 deutlich unter das regulatorische Minimum gefallen. «Der Filter erlaubte es der CS, den Anschein genügender Kapitalisierung bis zum Schluss aufrechtzuerhalten», schreibt die PUK.

Lobby beschränken, Spenden verbieten

Bei der Abwicklung der einst stolzen Grossbank nach 167 Jahren wussten die neue Finanzministerin Keller-Sutter, Nationalbank und Finma in der Darstellung der PUK dann durchaus zu überzeugen – und konnten mutmasslich eine internationale Finanzkrise abwenden. In den ersten Monaten Anfang 2023, aber vor allem in den fünf Tagen des drohenden Konkurses vom 15. und dem 19. März entwickelten sie verschiedene Lösungsszenarien, von einer Sanierung über eine Übernahme durch die UBS bis zu einer zwischenzeitlichen Verstaatlichung. Von Anfang an scheint dabei die Eingliederung in die UBS die favorisierte Variante gewesen zu sein. Von ihrer Krisenzelle im Bernerhof aus hätten die Behörden eine «sehr aktive Vermittlerrolle» zwischen den beiden Banken gespielt, betonte PUK-Vizepräsidentin Franziska Ryser an der Pressekonferenz zum Bericht am Freitag. Der von rechten Kommentator:innen gerne verbreiteten Vermutung, die Übernahme sei durch Druck der USA zustande gekommen, erteilte die grüne Politikerin eine Absage. «Diese These bestätigen wir nicht.»

Eine Grossbank, die sich trotz riesiger Skandale von der Finanzmarktaufsicht kaum etwas vorschreiben lässt. Eine Aufsicht, die aufgrund von politischen Lobbyings in der Regierung und durch das Parlament geschwächt wird. Und ein Finanzminister wiederum, der sich in Geheimdiplomatie übt und damit seinen Regierungskolleg:innen das Heft des Handelns aus der Hand nimmt: alle diese Ingredienzien haben zum definitiven Aus der Credit Suisse geführt. Damit sich ein ähnlicher Fall nicht wiederholt, hat die PUK zwanzig Empfehlungen verfasst und will zur Umsetzung zahlreiche Vorstösse in der Frühlingssession ins Parlament bringen. Insbesondere soll die internationalen Abhängigkeiten der als systemrelevant bezeichneten Banken und ihre vergleichsweise bedeutende Grösse in der künftigen Too-Big-To-Fail-Gesetzgebung stärker berücksichtigt werden. Personelle Konsequenzen – etwa die Absetzung der amtierenden Finma-Präsidentin – fordert sie keine.

Und doch bleibt eine bange Frage im Raum: Genügen all die Vorstösse, die letzte nun verbliebene, monströse Grossbank UBS vor einem möglichen Kollaps zu bewahren? Empfehlungen, die das Verhältnis zwischen der Politik und dem Finanzplatz verändern und so erst demokratische Kontrolle der Banken ermöglicht, sucht man im Bericht vergeblich. Nimmt man die vorliegenden Fakten aber ernst, sollte genau das mit hoher Dringlichkeit geschehen – etwa mit einer Einschränkung des Lobbyings der Grossbanken. Es kann nicht sein, dass wie im Fall CS geschehen, ein FDP-Politiker wie Ruedi Noser gleichzeitig im Ständerat wie auch im Verwaltungsrat der Credit Suisse Asset Management sitzt. SP-Kopräsident Cédric Wermuth hat zudem recht, wenn er in einer Videobotschaft zum PUK-Bericht als erstes fordert, dass sich die bürgerlichen Parteien inklusive GLP nicht länger von der UBS finanzieren lassen dürfen.

Gerade auch die angebliche Volkspartei SVP muss in der öffentlichen Debatte als Wahlkampfvehikel für dieses Lobbying verstanden werden. Es gibt für die Milliardäre, die Konzerne und die Banken in der Schweiz wahrlich viele gute Gründe, warum es diese Partei braucht. Einer der Hauptgründe liegt darin, dass am Ende einer wie Ueli Maurer Finanzminister ist. Und nichts tut.

Hier finden Sie den Bericht und weitere Unterlagen.