CS-Crash: Die Aufklärung: Der Bock, der Gärtner und die PUK

Nr. 13 –

Finanzministerin Karin Keller-Sutter will die CS-Rettung am liebsten selbst aufklären. Und gibt eine Untersuchung bei einem HSG-Professor in Auftrag, der sein Zentrum von der Credit Suisse sponsern lässt. Das Parlament fordert derweil eine PUK.

Gebäude des Lernzentrum Square an der Universität St. Gallen
Sponsored by Credit Suisse: Die Grossbank ist Kooperationspartner der Universität St. Gallen und hat auch das neue Lernzentrum Square mitfinanziert. Foto: Chris Mansfield

Mit der Rettung der Credit Suisse hat auch das Rennen um die politische Aufklärung begonnen. Als Erste aus den Startlöchern kam die Finanzministerin, die selbst die Übernahme der CS durch die UBS verkündet hatte. «Ich bin klar der Meinung, dass es eine Aufarbeitung braucht», sagte Karin Keller-Sutter in der «Samstagsrundschau» von Radio SRF. Sie überlege sich gar, in der ausserordentlichen Session des Parlaments vom 11. bis zum 13. April selbst eine Untersuchung zu beantragen. Sie habe schon einmal eine Auslegeordnung der Geschehnisse in Auftrag gegeben, bei «Herrn Professor Ammann, Bankenprofessor an der Universität St. Gallen».

Herr Professor Ammann? Man traut seinen Ohren kaum.

Manuel Ammann, designierter Rektor der Universität St. Gallen (HSG), ist der akademische Direktor des «HSG Center for Financial Services Innovation». Möglich wurde die Gründung des Zentrums vor zwei Jahren dank des «grössten Fundraisings in der Geschichte der HSG», wie es damals in der Medienmitteilung hiess. Ein namhafter Sponsor stellte zehn Millionen Franken für sieben Lehrstühle «an der Schnittstelle zwischen Finance, Management und Recht» zur Verfügung. Der Sponsor hiess Credit Suisse. Die Grossbank wurde für die nächsten zehn Jahre zum Kooperationspartner der Universität und versprach, weitere zehn Millionen an das Lernzentrum Square und für den Auftritt als «HSG Campus Bank» zu spenden.

Es klingt wie in einer Groteske. Eine Finanzministerin rettet per Notrecht eine Grossbank mit der Summe von 259 Milliarden Franken, bedankt sich bei der Verkündigung der Rettung nicht etwa bei der Allgemeinheit, sondern bei der Bank – und lässt die Rettung dann noch von einem Professor untersuchen, der sein Forschungszentrum von ebendieser Grossbank sponsern lässt. So macht man den Bock zum Gärtner.

Keine Befangenheit nirgendwo

Auf Anfrage kann das Finanzdepartement zwar noch keine Details zur geplanten Untersuchung durch die HSG mitteilen, weil noch kein Vertrag vorliege. Zweifelsfrei aber steht für die Behörde bereits fest, dass wegen des CS-Sponsorings kein Interessenkonflikt bestehe: «Professor Ammann zeichnet sich durch grosse Kenntnisse des Schweizer Finanzplatzes aus. Sein wissenschaftlicher Auftrag wird durch die Finanzierung des Centers nicht infrage gestellt.»

Auch Ammann selbst will nichts von Befangenheit wissen, verweist auf das Universitätsgesetz sowie interne Richtlinien zu Drittmitteln: «Ein Interessenkonflikt besteht nicht. Die akademische Unabhängigkeit des Centers for Financial Services Innovation an der Universität St. Gallen ist vollständig gesichert.» Allerdings räumt er ein, dass die Idee zum Center in einem «intensiven Austausch über die Bedürfnisse der CS und die Möglichkeiten der HSG» entstanden sei. Die Forschungsbereiche der Professuren würden mit der Grossbank besprochen. Der Vertrag würde auch mit der UBS als Rechtsnachfolgerin weiterlaufen.

Manuel Ammann, Professor an der HSG
Manuel Ammann, Professor an der HSG Foto: Hannes Thalmann

Kritik am Zentrum gibt es in St. Gallen seit dessen Gründung. So wollte die SP im Kantonsrat bereits 2021 wissen, wie die Regierung das Risiko eines Imageschadens wegen der «offensichtlichen Markt-, Kredit- und Reputationsrisiken der CS» einschätze. Die Antwort der Regierung damals: «Fehlleistungen der CS stellen den langfristigen Nutzen und die grundsätzliche Sinnhaftigkeit der Kooperation mit einer Schweizer Grossbank nicht in Frage.» Bis heute findet sich auf der Sponsoringseite der Credit Suisse prominent ein Video, in dem die Verantwortlichen von HSG und CS von der «strategischen Partnerschaft» schwärmen. Auch der SVP-Bildungsdirektor tritt im Werbefilm auf und spricht von einer «Win-win-Situation».

Dass in Ammanns Untersuchung angesichts dieser Nähe zum Untersuchungsobjekt kritische Erkenntnisse zu erwarten sind, darf bezweifelt werden. Das Finanzdepartement der St. Galler Bundesrätin Keller-Sutter fügt an, das Gutachten von Ammann werde lediglich Teil einer umfassenden Analyse sein, mit der die Übernahme der Credit Suisse und das «Too big to fail»-Regelwerk untersucht werde. Einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) gegenüber zeigte sich die FDP-Bundesrätin in der «Samstagsrundschau» skeptisch. Auf die Frage, ob sie damit nicht in die Kompetenz des Parlaments eingreife, heisst es aus dem Departement auf Rückfrage gönnerhaft: «Das Parlament ist frei, jegliche Art der Aufarbeitung zu beschliessen.»

Unterlassung bei UBS-Rettung

Schon Anfang dieser Woche hat das Büro des Nationalrats beschlossen, die Einsetzung einer PUK zu verlangen. Der Entscheid fiel einstimmig, sprich mit Unterstützung aller Fraktionen. «Bei der CS-Übernahme handelt es sich um ein ausserordentliches Ereignis. Die Beschlüsse wurden mit Notrecht und ohne Einbezug des Parlaments gefällt. Sie müssen deshalb sauber und transparent aufgearbeitet werden», begründet Nationalratspräsident Martin Candinas (Mitte).

Noch muss auch das Büro des Ständerats den Entscheid bestätigen, und beide Parlamentskammern müssen einem Mandat zustimmen. Ein Blick zurück auf die Rettung der UBS nach der Finanzkrise 2008 zeigt, dass sich dabei Raum für Verhinderungstaktik bietet. SP-Politiker Paul Rechsteiner forderte damals mit einer parlamentarischen Initiative eine PUK. Das Büro des Nationalrats stimmte zu. Weil die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) beider Räte bereits eine Untersuchung gestartet hatten, blockierte das Büro des Ständerats unter Leitung von Erika Forster (FDP) den Entscheid über die PUK. Später stimmte ihr der Nationalrat zu, der Ständerat war dagegen. Das Ergebnis: ein braver GPK-Untersuchungsbericht, der keine grundsätzlichen Fragen klärte. Dass die Schweiz fünfzehn Jahre später erneut eine Grossbank retten muss, hat auch mit der Unterlassungssünde zu tun, dass damals keine richtige politische Aufklärung stattfand.

Eine PUK, zusammengesetzt aus Mitgliedern beider Räte, gilt als schärfste Waffe des Parlaments. Damit können «Vorkommnisse von grosser Tragweite» untersucht werden. Sie hat Zugang zu sämtlichen Informationen und darf selbst geheime Bundesratsprotokolle einsehen. Sie kann auch Privatpersonen, in diesem Fall das CS-Management, zu Anhörungen aufbieten. Falls sich diese weigern, kann sie die PUK von der Polizei abholen lassen, und falls sie falsch aussagen, können sie bestraft werden. Eine PUK verfügt zudem über personelle Ressourcen und ein eigenes Sekretariat. Sie hat eine politische Funktion, soll Verantwortlichkeiten festlegen und Verbesserungen vorschlagen. Allfällige Strafverfolgungen sind dann wieder Sache der Justiz. Eine PUK wurde in der Geschichte erst viermal eingesetzt: Die wichtigste deckte 1989 den Fichenskandal und damit die systematische Überwachung links gesinnter Bürger:innen auf.

Fragen über Fragen

Dass nun wieder der Zeitpunkt für eine PUK gekommen sei, finden erfahrene Politiker:innen wie Mitte-Präsident Gerhard Pfister: «Angesichts der Fragen, die noch grösser sind als bei der UBS-Rettung, unterstütze ich die Forderung nach einer PUK.» Einige der Fragen, die sich Pfister stellen: «Warum griffen die ‹Too big to fail›-Regeln nicht? Weshalb war eine Verstaatlichung keine Option? Warum versagte die Finanzmarktaufsicht? Gab es Druck aus dem Ausland? Und was genau war die Verantwortung des Bundesrats, insbesondere von SVP-Finanzminister Ueli Maurer?»

Auch SP-Kopräsident Cédric Wermuth hat viele Fragen: «Wir wissen ja noch gar nicht, was der Deal mit der UBS konkret bedeutet: Ob der Staat beispielsweise über die Neun-Milliarden-Franken-Garantie hinaus für toxische Kredite der CS haftet.» Die Untersuchung müsse zeitlich weit gefasst sein, die Politik von Nationalbank, Finma und Bundesrat wie auch die Geschäftstätigkeit der Credit Suisse in den letzten Jahren untersucht werden. «Dafür ist Expertise nötig.» Dennoch werde sich der Aufwand lohnen, damit die Politik das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinne. «Coronapandemie, Ukrainekrieg, CS-Rettung: Wir leben in krisenhaften Zeiten. Da müssen Untersuchungen, die Fehler benennen und Lösungen aufzeigen, selbstverständlicher werden.»

Bloss etwas kann auch eine PUK nicht leisten: Das Versagen des Parlaments – insbesondere der bürgerlichen Parteien – bei der Bankenregulierung wird sie kaum in den Blick bekommen. Wobei für diese Frage bereits ein Untersuchungstermin feststeht: Am 22. Oktober wählen die Stimmberechtigten das Parlament neu.