UBS-Regulierung: Nach dem Brimborium wieder auf Bankenlinie
Der Ständerat winkt die PUK-Vorstösse durch, doch entscheidende Reformen fehlen. Der Kampf der UBS gegen verschärfte Regulierungen zahlt sich aus.

Von links bis rechts war die Empörung gross, als Bundesrätin Karin Keller-Sutter im März 2023 die Notrettung der Credit Suisse mit einer Staatsgarantie in Höhe von 109 Milliarden Franken verkündete. FDP-Präsident Thierry Burkart kritisierte, dass systemrelevante Banken faktisch eine Staatsgarantie hätten – dementsprechend müsse «man sie behandeln und überwachen». Die SVP forderte lautstark, die durch die Notfusionierung mit der UBS neu entstandene Megabank zu zerschlagen, und reichte auch gleich einen Vorstoss dazu ein. Auf linker Seite beklagte man «systemisches Versagen» und forderte die erste Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) seit dreissig Jahren.
Achtzehn Monate später legte der daraus folgende Bericht offen, was viele bereits geahnt hatten: Die CS-Spitze hatte sich in ihrer Profitgier über Jahre hinweg um Risiken und Gesetze foutiert, während die harmlose Finanzmarktaufsicht (Finma), der die bürgerliche Parlamentsmehrheit in den zehner Jahren die Flügel gestutzt hatte, kläglich an ihrer Aufgabe scheiterte. Sie hatte der CS sogar erlaubt, dank eines sogenannten regulatorischen Filters weniger Eigenkapital zu halten als eigentlich vorgeschrieben – was sich als fatal erweisen sollte.
Die PUK formulierte in ihrem Bericht zehn parlamentarische Vorstösse, die diese und kommende Woche im Parlament behandelt werden. Obwohl der Bundesrat mehrere der Vorstösse zur Ablehnung vorgeschlagen hatte, segelten sie am vergangenen Montag praktisch widerstandslos durch den Ständerat – was vor allem an der Harmlosigkeit der Forderungen liegt (vgl. «Zahnlose Vorstösse» im Anschluss an diesen Text).
Werden sie die Schweiz dennoch vor der nächsten Bankenkrise schützen? «Nein, noch lange nicht!», sagt PUK-Mitglied und SP-Nationalrat Roger Nordmann. Tatsächlich sehen die behandelten Vorstösse keine verbindlichen höheren Eigenkapitalanforderungen an systemrelevante Banken vor – obwohl es sich beim Untergang der CS primär um eine Unterkapitalisierungskrise handelte. Gemäss einem Aktionsplan der SP, an dem Nordmann federführend mitwirkte, bräuchte die UBS rund fünfzig Prozent mehr Eigenkapital (etwa vierzig Milliarden Franken), um stabil zu sein.
Alternative Fakten
Die Debatte um das Eigenkapital zeigt beispielhaft, wie Bürgerliche nach anfänglichem Getöse leise zurückrudern, der Bundesrat grundlegende Reformen bekämpft – und insbesondere: wie die UBS jede noch so geringe Regulierungsverschärfung mit intensivem Lobbying zu verhindern sucht.
Im April 2024 publizierte der Bundesrat seinen Bericht zur Bankenstabilität. Darin machte er deutlich, dass er höhere Kapitalanforderungen für die einzige verbliebene Grossbank anstrebt – zumal deren Bilanz fast doppelt so hoch sei wie das Bruttoinlandprodukt der Schweiz. Doch obwohl Bundesrätin Karin Keller-Sutter die Forderungen der Schweizerischen Nationalbank, der Finma und des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) nach deutlich strengeren Eigenkapitalregeln ignorierte und die im Bericht skizzierten Regulierungspläne vergleichsweise milde ausfielen, fuhr die UBS umgehend sämtliche Lobbyinggeschütze auf.
Gestützt auf eine anonyme Quelle, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters vergangenen Sommer, dass UBS-Vizepräsident Lukas Gähwiler persönlich bei der Regierung für eine Begrenzung der Kapitalanforderungen lobbyierte. Und CEO Sergio Ermotti drohte gar damit, den UBS-Hauptsitz ins Ausland zu verlegen, sollte die Schweiz zu strenge Regeln erlassen. Die UBS-Spitze argumentiert wie folgt: Höheres Eigenkapital führe zu höheren Kosten und so zu Wettbewerbsnachteilen, was zwangsläufig die Kreditkosten für Privatpersonen und Unternehmen in die Höhe treiben und den Finanzplatz Schweiz insgesamt schwächen würde. Auch könnte die Bank die Wirtschaft dann nicht mehr ausreichend mit Krediten versorgen.
Doch diese Behauptungen sind falsch: Eine ganze Reihe von Studien zeigt, dass höhere Eigenkapitalanforderungen auf die Länge die Stabilität des Bankensystems steigern, ohne dauerhafte Kosten für die Realwirtschaft zu verursachen. Auch für Banken selbst kann ein höheres Eigenkapital günstiger sein als Fremdkapital, da es das Insolvenzrisiko senkt und eine Bank langfristig wettbewerbsfähiger macht, was wiederum dazu beitragen kann, Kreditkosten stabil zu halten oder gar zu senken.
Urs Birchler, Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Zürich, räumt zwar ein, dass strengere Vorgaben zum Eigenkapital die Anzahl an vergebenen Krediten tatsächlich schrumpfen liessen. Davon betroffen wären allerdings – wie er in der «Süddeutschen Zeitung» erklärte – «nicht die selbstbewohnten Eigenheime, sondern zum Beispiel fremdfinanzierte Kredite im Investment Banking». Genau das sei der gewünschte Effekt des höheren Eigenkapitals: «Man möchte erreichen, dass die Banken weniger riskante und damit ausfallgefährdete Darlehen vergeben.» Das Tempolimit im Strassenverkehr funktioniere genau so: «Die Reise dauert länger; und das darf sie auch, weil sie sicherer ist – auch für die anderen.»
Das Fazit aus der Wissenschaft ist klar: Höhere Eigenkapitalanforderungen bringen der Wirtschaft langfristig mehr Nutzen und Stabilität – sogar die Banken profitieren davon. Womit sich die Frage aufdrängt: Warum wehrt sich die UBS so vehement dagegen?
Die Antwort lautet: Gier. Führungskräfte von Grossbanken erhalten ihre Boni überwiegend in Form von Firmenaktien. Riskante Geschäfte versprechen höhere Renditen und treiben den Aktienkurs bei Erfolg kurzfristig nach oben, was sich direkt auf die Boni auswirkt. So zahlte die Credit Suisse von 2010 bis 2022 Boni im Umfang von fast 40 Milliarden Franken aus. Der ausgewiesene Nettogewinn für diese Periode betrug dagegen nur 3,3 Milliarden Franken. Im Vertrauen darauf, dass der Staat im Ernstfall einspringt, haben die Manager:innen kein Interesse daran, zugunsten langfristiger Stabilität weniger risikoreich zu geschäften. «Ihnen ist es lieber, wenn ab und zu der Staat bezahlt», bringt es Roger Nordmann auf den Punkt.
Während eines «Swissinfo»-Podcasts wurde der oberste Compliance- und Regulierungsverantwortliche der UBS, Markus Ronner, mit den erwähnten Studienergebnissen konfrontiert – und hatte prompt eine Antwort parat. Er verwies auf eine einzige Gegenstudie und eigene Berechnungen der UBS, die das Gegenteil belegen wollen. Fakt sei, «dass mit erhöhten Kapitalanforderungen die Kosten steigen und damit auch die Kreditkosten».
Ronners selbstgefälliges Auftreten erinnert an die Tabak- und die Ölindustrie. Mit eigenen «Studien» und Falschinformationen stellten diese jahrelang systematisch wissenschaftliche Erkenntnisse infrage und säten Zweifel an den negativen Auswirkungen ihrer Industrien, was griffige Regulierungen sowie Massnahmen gegen die Klimakatastrophe um Jahrzehnte verzögerte.
Schall und Rauch
Die Taktik bewährt sich auch für die UBS: Medien übernehmen das Narrativ der Grossbank, die Wirtschaftsverbände sind bereits vor ihren Drohgebärden eingeknickt und lobbyieren kräftig mit. Der Tech-Branchenverband Swissmem fordert, dass Regulierungen «vernünftig und massvoll ausgestaltet werden». Die FDP-Nationalrätin und Vizepräsidentin des Gewerbeverbands Daniela Schneeberger sagt im «SonntagsBlick», dass «eine übermässige Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen für systemrelevante Banken vermieden werden sollte». KMU seien schliesslich auf «stabile und international wettbewerbsfähige Banken angewiesen». Dass höheres Eigenkapital bei einer Bank nachweislich zu mehr Stabilität führt, wird ausgeblendet.
Auch in Bundesbern politisieren die Bürgerlichen nach anfänglichem Brimborium wieder auf Bankenlinie. In der Ständeratssession am vergangenen Montag betonten sie unisono, die Krise der CS sei allein deren Management und nicht strukturellen Problemen des Bankensektors anzulasten. Überregulierung müsse unbedingt vermieden werden. Die SVP zog ihren Vorstoss zum Verbot von Too-big-to-fail-Banken noch vor der Session zurück. «Das war alles nur Schall und Rauch», kommentiert SP-Nationalrätin Céline Widmer. Nun versuche die SVP, ihre anfängliche Forderung unter den Teppich zu kehren, indem sie behaupte, die PUK-Motionen würden das Anliegen bereits abdecken – obwohl diese ja weit harmloser seien als die ursprünglichen Vorschläge.
Ob die PUK-Vorstösse ausreichen werden, um bei einer nächsten Bankenkrise eine erneute Rettung durch die Steuerzahler:innen zu verhindern, bleibt somit höchst fraglich.
Unerwarteterweise setzte am Montag ausgerechnet die SVP als einzige Partei doch noch ein Zeichen: Der Thurgauer Ständerat Jakob Stark forderte eine Begrenzung der Vergütungen für Banker:innen auf drei bis fünf Millionen Franken pro Jahr. Seine Motion wurde mit 21 zu 19 Stimmen gegen den Willen des Bundesrats angenommen. Sollte auch der Nationalrat der Motion zustimmen, muss der Bundesrat eine entsprechende Gesetzesänderung ausarbeiten – ein weiterer Rückzieher wäre dann nicht mehr möglich.
PUK zur Credit Suisse: Zahnlose Vorstösse
Der 500-seitige Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission zur Notfusion von Credit Suisse und UBS wurde im Ständerat einhellig gelobt. Anschliessend verabschiedete die kleine Kammer alle zehn darin enthaltenen Vorstösse – vier Motionen (verbindliche Aufträge) und sechs Postulate (Prüfaufträge) – acht davon ohne Gegenstimme. Zu den zentralen Forderungen gehören eine Stärkung der Finma, die Einschränkung bankenspezifischer Erleichterungen bei Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften sowie eine erweiterte Grossbankenregulierung, die nicht nur das Schweizer Finanzsystem stabilisieren, sondern auch internationale Krisen verhindern soll.
Wer nun aber glaubt, es sei endlich eine griffige Regulierung im Bankensektor zu erwarten, liegt falsch. Viele Formulierungen in den Vorstössen bleiben vage, sodass die konkrete Umsetzung entscheidend sein wird. Die Motion zur Stärkung der Finma verlangt etwa lediglich eine Prüfung von Massnahmen – ohne konkrete Vorgaben zu machen. Auch eine eigentliche Aufstockung des Eigenkapitals der Banken bleibt aus. Immerhin sollen Finanzkniffe wie der regulatorische Filter, die der CS gewährt wurden, eingeschränkt werden.
Am kommenden Dienstag befasst sich auch der Nationalrat mit den Vorstössen, wobei ein ähnliches Ergebnis wie im Ständerat zu erwarten ist. Danach liegt der Ball beim Bundesrat: Bis Ende Mai soll ein Bericht mit Gesetzesentwürfen vorliegen. Entscheidend wird sein, wie hoch die Eigenmittel angesetzt und welche Kompetenzen der Finma tatsächlich gestärkt werden.