Auf allen Kanälen: Risiko Porno

Nr. 29 –

Die Liebe des Kapitals zu expliziten Inhalten hat Grenzen. Wird die Plattform Onlyfans sie bald überschreiten?

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Eine Szene an den Porny Days, dem Festival für alternativen Porno in Zürich, Ende 2024: Gerade lief ein Film mit lesbischen Vampirinnen und einer blauen Flüssigkeit, die die Körper hinabrann. Die Regisseurin erklärt, das blaue Kunstblut sei auch eine Reflexion darüber, dass rote, an Blut erinnernde Flüssigkeiten in Pornos vielerorts stark eingeschränkt oder gar verboten seien, und generell über die Repression gegenüber der Pornografie. Auf die Frage, wovon sie eigentlich lebe, ja wohl kaum von ihren feministischen Pornos, antwortet sie kurz: derzeit vor allem von Onlyfans.

Was sie damit meint: Sie postet gegen Geld Nacktbilder und -videos von sich. Onlyfans ist eine Website, die es erlaubt, visuelle Inhalte zu teilen oder mit Nutzer:innen zu chatten, sofern diese dafür bezahlen. Eine Art Instagram, bei dem aber die Profile nur gegen Abogebühr zugänglich sind.

Offiziell finden sich auf Onlyfans alle möglichen Inhalte, von Comedy über Fitness bis Kochen. Tatsächlich ist ein überwiegender Teil davon erotischer oder pornografischer Natur. Schätzungen reichen von siebzig bis weit über neunzig Prozent (für das gesamte Internet wird vermutet, dass vier bis zehn Prozent seiner Inhalte pornografisch sind).

Beliebt bei Queers

Kürzlich wurde bekannt, dass der Besitzer der Betreiberfirma Fenix International, der ukrainisch-amerikanische Milliardär Leonid Radvinsky, die Plattform verkaufen will. Ein US-Private-Equity-Konsortium sei interessiert; veranschlagter Kaufpreis: über sechs Milliarden Franken. Onlyfans, das aktuell rund 300 Millionen Personen nutzen, ist ein gutes Geschäft: Laut den neusten Zahlen des Unternehmens lag der Umsatz 2023 bei einer Milliarde Franken, zwanzig Prozent mehr als im Jahr davor. Der Gewinn betrug über 500 Millionen Franken.

Auch einige derjenigen, die die Inhalte erstellen, kassieren ab. Die zwanzigjährige Sophie Rain aus Miami, erklärte Christin und Jungfrau, soll in einem Jahr auf Onlyfans fast 35 Millionen Franken verdient haben. Doch unter den offiziell gut vier Millionen Anbieter:innen sind die Einkommen sehr ungleich verteilt: Nur ein Prozent verdient über 8000 Franken im Monat, für die meisten sind es nur wenige Hundert.

Trotzdem ist Onlyfans zu einer wichtigen Einnahmequelle gerade für alternative und queere Sexarbeiter:innen geworden, die nicht selten unter prekären Bedingungen arbeiten. Die Seite ermöglicht relativ hohe Autonomie: Die Abopreise können selber festgelegt und aufdringliche Nutzer:innen jederzeit blockiert werden. Ausserdem bleiben achtzig Prozent der Einnahmen bei den Anbieter:innen.

Das grundsätzliche Problem mit Internetplattformen ist bekannt: Zigtausende versorgen eine Plattform mit Inhalten und bauen eine Community um sie auf, doch den Entscheiden der Eigentümer:innen sind sie schutzlos ausgeliefert. Augenfällig wurde das etwa, als Bandcamp, die wichtigste Plattform zum Verkauf von Musik abseits des Mainstreams, vor ein paar Jahren verkauft wurde. Die Einsicht, dass einzelne Privateigentümer:innen ein grosses Risiko sind, hat etwa zum Aufbau der genossenschaftlichen Bandcamp-Alternative Subvert geführt, die noch dieses Jahr online gehen soll.

Immer sauberer

Porno kann ein gutes Geschäft sein, aber es ist auch ein riskantes. Die Stigmatisierung führt immer noch dazu, dass sich damit schwer ein seriöses Image verbinden lässt. Onlyfans ist das bisher gelungen, die dezente Ästhetik der Plattform in den Farben Hellblau und Weiss geht zur grellen Pornowelt auf maximale Distanz, man betont Sicherheit und Verlässlichkeit. Trotzdem gab es Berichte, dass einzelne Banken bereits die Zusammenarbeit mit Onlyfans eingeschränkt haben. Unerfreuliche Enthüllungen sind zudem immer möglich. So zeigte eine Recherche der BBC, dass Onlyfans ungenügend gegen Kriminelle vorgeht und Minderjährige nicht ausreichend schützt.

2021 hatte Onlyfans schon einmal angekündigt, pornografische Inhalte von der Seite verbannen zu wollen. Nach einem Aufschrei der Community wurde der Entscheid sechs Tage später revidiert. Allerdings deuten kleinere Veränderungen seither weiter in diese Richtung. Manche vermuten, dass die pornografischen Inhalte Onlyfans zwar sehr gelegen kamen, um rasant zu wachsen, man sich ihrer aber irgendwann auch entledigen könnte, um den Kapitalwert der Plattform weiter zu steigern.