Ausstellung: Flirrende Rettungsaktionen

Auf der Website der Kunsthalle Zürich gibt der georgische Künstler Levan Chogoshvili in einem Video eine dichte, sehenswerte Einführung in seine Arbeiten. Sie macht klar, was auch beim Ausstellungsbesuch vor Ort sofort auffällt: Chogoshvilis Gemälde, Skulpturen und Videos können gut für sich allein stehen. Doch die persönlichen Erinnerungen und die georgische Geschichte hinter den Werken ergänzen und erweitern diese auf grundlegende Weise. Lesen lohnt sich also in dieser Ausstellung.
Levan Chogoshvilis Kunst setzte in den frühen siebziger Jahren ein, nachdem die Isolation des gewaltsam von der Sowjetunion einverleibten Georgien ein paar Risse bekommen hatte. Wichtig dafür waren importierte Drucksachen, wie die Kunsthistorikerin Nana Kipiani in ihrer Einleitung betont, und eine erstarkende Dissident:innenbewegung.
Für Chogoshvili spielte auch eine russische Kamera eine entscheidende Rolle, mit der er als Zwanzigjähriger seinen ersten Film drehte. Dieser kurze Farbfilm zieht einen gleich beim Eingang zur Ausstellung sofort in seinen Bann: Die grobkörnige, zerfliessende Bildstruktur erinnert an Malerei, die flirrenden Landschaften und Menschen erscheinen wie Bot:innen einer untergegangenen Welt.
Dieses frühe Werk schlägt den Bogen zu einem weiteren Film, den Chogoshvili 2006 in zwei kaukasischen Bergdörfern gedreht hat, wo ein spezielles Filzhandwerk gepflegt wird. Wie beim aufwendigen Verfilzen der Schafwolle verflechten sich in diesen Dörfern auch die muslimische und die christliche Kultur friedlich, die Gemeinschaft war jedoch akut bedroht durch den Tschetschenienkrieg.
Herzstück der Ausstellung ist die Serie «Zerstörte Aristokratie»: Chogoshvili malte alte Fotoporträts ermordeter Aristokrat:innen ab, in kühner modernistischer Manier. Diese eindringlichen Gemälde retten die Menschen ebenso wie die Fotografien vor dem Vergessen. Zugleich erinnern sie an die Zerstörung von kulturellen Lebenswelten: Neben den Menschen wollte die Sowjetdiktatur auch alle weiteren Spuren ihrer Existenz auslöschen. Die alte Kraft der Kunst als Gedächtnisspeicher wirkt bei Levan Chogoshvili essenzieller denn je.