Chinastrategie der USA: Eindämmung – nur wie?

Nr. 41 –

Sowohl Donald Trump als auch Kamala Harris wollen die globale Vorherrschaft der USA bewahren und den weiteren Aufstieg der Volksrepublik China verhindern. Sie verfolgen jedoch unterschiedliche Strategien.

Am 5. November finden in den USA Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Der frühere Präsident Donald Trump (Republikaner) und die aktuelle Vizepräsidentin Kamala Harris (Demokratin) streiten um die Kontrolle im Weissen Haus. Der Wahlkampf dreht sich vor allem um die erhöhten Lebenshaltungskosten, die Stärkung der US-Wirtschaft, die Kontrolle von Immigration, die verschärften Abtreibungsgesetze und die gefährdete Demokratie.

Die Politik gegenüber der Volksrepublik China taucht in den Erklärungen beider Kandidat:innen nur am Rande auf. Das Verhältnis der Regierungen in Washington und Peking und ihr Konflikt um Einflusszonen, Ressourcen und Märkte hat jedoch grosse Bedeutung. Jede Verschärfung des «Handelskriegs» oder weitere Sanktionen im Geschäft mit Hightechgütern träfen die Weltökonomie, und militärische Zuspitzungen in Ostasien könnten gar zu Krieg in der Region und darüber hinaus führen.

Die Präsidentschaftswahl wird hier Weichen stellen. Aber in welche Richtung? Ein Blick auf die Chinapolitik der drei letzten US-Präsidenten zeigt, wohin es gehen könnte.

Obama, Trump und Biden

Nach dem rasanten wirtschaftlichen Aufstieg der Volksrepublik China seit den frühen neunziger Jahren wurde spätestens Anfang der 2010er deutlich, dass das Regime der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) seinen neuen Einfluss geltend machen und die Volksrepublik als Weltmacht etablieren will. China war zum wichtigsten Handelspartner vieler Länder geworden, und chinesisches Kapital investierte in Industrie- und Infrastrukturprojekte in der ganzen Welt. Das chinesische Militär rüstete auf, und die KPCh-Regierung unterstrich ihren Anspruch auf das Südchinesische Meer und Taiwan. 2015 verkündete sie gar, mit dem Programm «Made in China 2025» in zehn Jahren in Hightechbereichen weltweit führend sein zu wollen.

Unter Präsident Barack Obama (2009–2017) beschloss die US-Regierung bereits 2012 eine strategische Neuausrichtung der US-Aussenpolitik, weg von Europa und Nahost, hin zu Ostasien («pivot to East Asia»). Sie wollte die wirtschaftliche und militärische Vorherrschaft der USA in der Region sichern und den Ansprüchen der Volksrepublik Grenzen setzen. Diesem Ziel dienten Handelsverträge sowie militärische Abkommen im indopazifischen Raum, um die sich die Obama-Regierung in der Folge bemühte.

Unter Präsident Donald Trump (2017–2021) führte die US-Regierung die Eindämmungspolitik fort. Allerdings setzte sie nicht mehr auf Bündnisse mit Alliierten und multilaterale Abkommen, sondern auf «America First»-Protektionismus und bilaterale Vereinbarungen. Ab 2018 sollten hohe Zölle den US-Markt vor billigen Importen aus der Volksrepublik China schützen – der Beginn des «Handelskriegs». Und im selben Jahr verhängte die US-Regierung Sanktionen gegen chinesische IT-Unternehmen wie Huawei, um deren Technologie aus internationalen Kommunikationsnetzen zu verbannen.

Unter Präsident Joe Biden (seit 2021) führte die US-Regierung die Zollpolitik fort, verfolgte die Eindämmung der Volksrepublik jedoch wieder in enger Absprache mit alliierten Regierungen. Sie verbot die Lieferung von Hochleistungschips mit US-Komponenten an die Volksrepublik und startete ein massives Subventionsprogramm für die eigene IT-Industrie, um den technologischen Vorsprung bei Chips und verwandten Hightechgütern gegenüber der chinesischen Konkurrenz auszubauen. Mit Subventionen für die amerikanische Industrie will sie zudem die Abhängigkeit der US-Wirtschaft von chinesischen Lieferketten lindern. Diesen Zielen dienten zwei 2022 umgesetzte Gesetzespakete: der Chips and Science Act und der Inflation Reduction Act.

Wie die künftige US-Politik gegenüber der Volksrepublik nach den Novemberwahlen aussehen wird, hängt entscheidend von der Abwägung wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Interessen ab.

«Derisking» und Abhängigkeit

Die Ökonomien der beiden Länder sind weiterhin eng miteinander verwoben. Die Biden-Regierung wollte die wirtschaftliche Abhängigkeit zwar verringern («derisking»), und ihre Zoll- und Sanktionspolitik hat bereits zur Verlagerung von Fabriken aus China in Länder wie Vietnam und Mexiko geführt, also zur Umleitung globaler Lieferketten. Viele US-Unternehmen haben jedoch seit den neunziger Jahren stark in der Volksrepublik investiert und tun dies immer noch. Sie brauchen den Zugang zu den dortigen Arbeitskräften und Märkten und sehen den «Handelskrieg» und weitere Exportbeschränkungen kritisch.

Seit Obamas «pivot to East Asia» haben allerdings alle US-Regierungen in der Chinapolitik die sicherheitspolitischen Interessen meist über die wirtschaftlichen Interessen einzelner Unternehmen gestellt. Auch die Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus waren sich zuletzt über die Eindämmung der Volksrepublik einig, auch wenn das der eigenen Wirtschaft schaden könnte – schliesslich geht es um die Verteidigung der US-Vorherrschaft weltweit.

Unter Biden wurde auch die US-Militärstrategie in Ostasien angepasst. Neue Stützpunkte auf den Philippinen, die Aufrüstung der taiwanischen Streitkräfte, der belebte Sicherheitsdialog Quad mit Japan, Indien und Australien und die Aufrüstung Australiens mit Atom-U-Booten dienen der militärischen Eindämmung Chinas.

Kapitalistin Harris

Sowohl Trump als auch Harris würden diese Militärstrategie wohl in der einen oder anderen Weise fortsetzen. Ihre konkrete Chinapolitik wird sich dennoch unterscheiden.

Trump kündigte im Wahlkampf an, die Zölle für alle chinesischen Importe auf sechzig bis hundert Prozent erhöhen und der Volksrepublik den Meistbegünstigungsstatus im Handel nehmen zu wollen. Er will den «America First»-Protektionismus weitertreiben als Teil dessen, was er «Maganomics» nennt: eine Wirtschaftspolitik, in der hohe Zölle sogar alliierte Handelspartner disziplinieren, den US-Dollar als Weltwährung erhalten und zur Ansiedlung von Fabriken in neuen «Sonderwirtschaftszonen» in den USA führen sollen.

Harris, die sich zuletzt vor US-Wirtschaftsvertreter:innen als «Kapitalistin» bezeichnete, setzt dagegen auf die Fortführung von Bidens Chinapolitik. Diese beinhaltet Subventionen für US-Industrien – vor allem für diejenigen, die mit chinesischen Herstellern konkurrieren –, Beschränkungen für den Export ökonomisch und militärtechnisch relevanter Hightechgüter in die Volksrepublik und Sanktionen gegen diejenigen, die sich diesen widersetzen.

Harris will auch die unter Biden gepflegten und von der US-Regierung dominierten Wirtschafts- und Militärbündnisse weiter stärken und den Konflikt mit der KPCh als Kampf der «westlichen» Demokratien gegen einen autoritären Block um die Volksrepublik China und Russland führen.

Trump machte dagegen wiederholt deutlich, dass er weniger auf bestehende Bündnisse setzt als auf von der US-Regierung orchestrierte Verhandlungen und Abkommen auch mit der Volksrepublik China – wie zuletzt das von ihm 2020 abgeschlossene ­«Phase eins»-Handelsabkommen zur Beilegung des «Handelskriegs», das allerdings weitgehend wirkungslos blieb.

Beide Strategien heizen die Blockkonfrontation an und könnten zu geopolitischen Zuspitzungen führen, eine militärische Eskalation eingeschlossen.

Veranstaltung in Zürich mit Ralf Ruckus am Fr, 18. Oktober, 19.30 Uhr, im Post-Squat (Wipkingerplatz 7, 1. Stock) zum Thema «Taiwan von links (verstehen)».