Kein Sonderstatus für Streamingriesen

Das deutliche Ja zum Filmgesetz ruft neue Player auf den Plan. Wird der Schweizer Film jetzt besser oder zumindest erfolgreicher? Falsche Frage!
Besser konnte man die rechtsbürgerliche Doppelmoral im Verhältnis zu Europa eigentlich nicht auf den Punkt bringen: Beim Frontex-Ausbau hatten FDP und SVP die Ja-Parole ausgegeben, bei der Revision des Filmgesetzes waren sie dagegen. Geht es also darum, Steuermillionen zur Flüchtlingsabwehr aufzustocken, soll die Schweiz bloss nicht abseits von Europa stehen – aber wenn der Bund im Rahmen der geltenden Regeln für Schweizer Privatsender neu auch ausländische Milliardenkonzerne finanziell in die Pflicht nehmen will, heisst es: Auf keinen Fall darf die Schweiz mit dem umliegenden Europa gleichziehen!
Mit rund 58 Prozent Ja ist das neue Filmgesetz nun überraschend deutlich gutgeheissen worden. Künftig werden also internationale Streamingdienste und ausländische Privatsender vier Prozent ihres in der Schweiz erzielten Umsatzes in die hiesige Filmwirtschaft investieren müssen. Dennoch: Über vierzig Prozent Nein, das ist ein Achtungserfolg für ein Referendum, das nur von drei bürgerlichen Jungparteien getragen wurde.
Weitverbreitete Ahnungslosigkeit
Die Drohkulissen, mit denen diese Parteien auf Unterschriften- und Stimmenfang gegangen waren, waren ja die reinste Fantasy: Die Preise für Streamingabos würden steigen (taten sie schon ohne neues Filmgesetz), und die Quote für europäische Filme auch bei Streamingdiensten führe zum staatlich verordneten Zwangskonsum (demnach herrscht in allen EU-Ländern längst staatlich verordneter Zwangskonsum). Das Anliegen war also als Konsumentenschutz verkleidet, dabei waren die Argumente im Kern nichts als libertär, nach der Maxime: Der Staat hat Privaten keine Vorschriften zu machen, Punkt.
Kurios am Referendum war nicht nur, wie fleissig sich diese Junglibertären für die Geschäftsinteressen von Grosskonzernen ins Zeug legten und wie sie dabei das Budget von Netflix und Co. mit ihrem eigenen Portemonnaie verwechselten. Eine Ablehnung des neuen Filmgesetzes hätte die staatlich subventionierte Filmkultur zudem nur noch stärker vom internationalen Filmmarkt abgekoppelt, statt neue Player auf den Plan zu rufen. Solche Inkonsistenzen passten allerdings zu einem Abstimmungskampf, der vor allem eines offenlegte: eine weitverbreitete Ahnungslosigkeit darüber, wie das internationale Filmgeschäft funktioniert.
Bloss ein zeitgemässes Update
Das Deprimierende an dieser wichtigsten eidgenössischen Kulturvorlage seit Jahrzehnten war ohnehin die Tatsache, dass es dabei gar nicht um Kultur ging. Mochten die Befürworter:innen noch so fleissig die Erfolge des einheimischen Filmschaffens betonen oder auf die identitätsstiftende Kraft von Nationalheiligtümern wie «Heidi» pochen, und mochten die Gegner:innen ihren Ressentiments gegen den subventionierten Schweizer Film noch so freien Lauf lassen: Beim neuen Filmgesetz ging es gar nie darum, den Schweizer Film irgendwie «besser» zu machen. Sondern ganz einfach um ein zeitgemässes Update gesetzlicher Rahmenbedingungen, die noch aus der Zeit von DVDs und linearem Fernsehen stammten. Das war überfällig.