Globale F-35-Beschaffungen: Ein finanzielles Monster

Nr. 27 –

Ein neuer Bericht der kanadischen Finanzkontrolle sorgt für Schockwellen im Land: Der geplante Kauf von F-35-Kampfjets soll auch dort viel teurer ausfallen als geplant.

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Kanadas Luftwaffenchef Eric Kenny bei einem Auftritt Ende Mai
Kostenschock: Kanadas Luftwaffenchef Eric Kenny bei einem Auftritt Ende Mai. Foto: Justin Tang, Imago

«Brücken bauen zwischen Kanada und der Schweiz!» So betitelte der scheidende Schweizer Luftwaffenchef Peter Merz vor zwei Monaten einen Post auf Linkedin. Darin schwärmte er vom gemeinsamen Besuch mit seinem kanadischen Amtskollegen Eric Kenny beim Stanser Flugzeugbauer Pilatus. Kenny sei gleich selbst in einem PC-21-Trainingsflugzeug mitgeflogen und begeistert gewesen. «Ich freue mich darauf, unseren Dialog weiterzuführen!», schrieb Merz am Ende des Posts, schliesslich «stehen sowohl Kanada wie auch die Schweiz vor der Herausforderung, von der F/A-18 auf die F-35A umzusteigen.»

Aus der Herausforderung ist in der Zwischenzeit in beiden Ländern ein ernsthaftes Problem geworden. Der Grund ist der gleiche: Mehrkosten bei der F-35-Beschaffung. Und doch gibt es einen grossen Unterschied, denn während in der Schweiz von Mehrkosten im Umfang von bis zu 1,3 Milliarden Franken die Rede ist, geht man in Kanada von einer viel grösseren Kostensteigerung aus.

Kanada rechnet mit höheren Kosten

Mitte Juni publizierte die kanadische Generalrechnungsprüferin Karen Hogan einen Bericht über die Beschaffung und Ausstattung von insgesamt 88 US-amerikanischen F-35A-Kampfjets – demselben Modell, dessen Beschaffung in der Schweiz gerade für Schlagzeilen sorgt (siehe WOZ Nr. 26/25). Sie kommt darin zum Schluss, dass die 2022 für die Kampfjets prognostizierten Kosten in nur zwei Jahren von 19 Milliarden kanadischen Dollar (etwas über 11 Milliarden Franken) auf fast 28 Milliarden Dollar angestiegen sind. Hinzu kommen weitere Kosten von mindestens 5,5 Milliarden Dollar für Elemente wie «Infrastrukturverbesserungen» und «fortschrittliche Waffen», die für eine volle Einsatzfähigkeit zwingend sind. Das macht insgesamt 33,5 Milliarden Dollar statt der ursprünglichen 19 Milliarden. Es handle sich um ein «finanzielles Monster, das anderen Beschaffungsprojekten den Lebensnerv rauben könnte», schrieb dazu «The Globe and Mail», die zweitgrösste Tageszeitung des Landes.

Die erwarteten Mehrkosten beruhen auf Schätzungen des kanadischen Verteidigungsministeriums und sind im Bericht gut begründet. Auch die Ursachen sind sauber dargelegt: Zentrale Kostentreiber sind die steigende Inflation, Wechselkursschwankungen und eine global gestiegene Nachfrage nach Rüstungsgütern. Mitverantwortlich sind aber auch «unvorhergesehene Komplexitäten» bei der Herstellung der Kampfjets durch den US-Rüstungskonzern Lockheed Martin, gerade im Motoren- oder dem komplexen Softwarebereich (siehe WOZ Nr. 15/25).

Der Betrieb ist viel teurer als der Kauf

Was zentral ist: Die im Hogan-Bericht ausgewiesenen Kostentreiber betreffen nicht bloss Kanada, sondern das gesamte F-35-Programm und folglich alle neunzehn Länder, die den US-Kampfjet derzeit beschaffen oder beschaffen wollen – auch die Schweiz. Es ist plausibel, dass die Mehrkosten auch hierzulande noch höher ausfallen als befürchtet.

In Kanada hat der Kostenschock bereits politische Konsequenzen nach sich gezogen. Kurz nach der Publikation des Hogan-Berichts hat Verteidigungsminister Bill Blair gegenüber dem staatlichen Rundfunk eine «grundlegende Überprüfung» angekündigt und schon einmal den schwedischen Gripen-Kampfjet als Ersatz für einen Teil der 88 US-Flugzeuge vorgeschlagen. Noch ist offen, wie weitgehend die angekündigte «Überprüfung» ausfallen wird, doch die neue liberale Regierung von Mark Carney scheint das Thema jedenfalls ernst zu nehmen.

«The Globe and Mail» fordert angesichts der «ins Unermessliche steigenden Kosten», das Rüstungsprojekt abzubrechen und stattdessen künftig auf Drohnen zu setzen. Zu Recht weist die Zeitung auf einen blinden Fleck in der aktuellen Debatte hin: Beschaffung und Ausstattung von Waffensystemen umfassen in aller Regel etwa ein Drittel der Gesamtkosten über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Zwei Drittel der Kosten fallen im Unterhalt und für Wartungen an. Die wahre Herausforderung liegt nicht im Kauf, sondern darin, die Jets in der Luft zu halten. Folgerichtig geht «The Globe and Mail» von totalen Kosten von über 90 Milliarden kanadischen Dollar aus – einer «gigantischen Summe für ein einziges Waffensystem».