«Compact»: Nun doch kein Verbot

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Das deutsche Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot des rechtsextremen Monatsmagazins «Compact» aufgehoben. Am Dienstag verkündeten die Richter:innen in Leipzig ihre Entscheidung: «Compact», mit einer Auflage von 40 000 Exemplaren, darf weiter erscheinen. Vor fast einem Jahr hatte die damalige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) die Compact-Magazin GmbH und ihre Produkte unter Berufung auf das Vereinsrecht verboten. «Compact» ging juristisch dagegen vor – und das in erster und letzter Instanz für die Überprüfung von Vereinsverboten verantwortliche Bundesverwaltungsgericht setzte das Verbot im August 2024 vorläufig ausser Kraft. Es müsse erst geklärt werden, ob die in der Verbotsverfügung angeführten verfassungswidrigen Zitate das Gesamtbild des Magazins prägten; bis dahin habe die Pressefreiheit Vorrang.

Den «vereinsrechtlichen Zugriff auf eine als Presse- und Medienunternehmen organisierte Vereinigung» bestätigte das Gericht nun zwar – auch das hatte «Compact» angefochten. Doch es kam zum Schluss, dass «in der Gesamtwürdigung die verbotsrelevanten Äusserungen und Aktivitäten noch nicht die Schwelle der Prägung erreicht» hätten. «Das Grundgesetz garantiert selbst den Feinden der Verfassung die Meinungs- und Pressefreiheit», erklärte der Vorsitzende Richter Ingo Kraft.

Aktivist:innen aus Ostdeutschland wiesen unterdessen darauf hin, dass die Entscheidung des Gerichts direkte Auswirkungen auf ihre Arbeit hat. So kommentierte etwa der Cottbusser Pfarrer Lukas Pellio: «Wenn ‹Compact› oder die AfD gegen unsere Arbeit Stimmung machen, dann zeigt sich das vor Ort in handfesten Übergriffen.» Seit Herbst 2024 seien über zwanzig Angriffe auf alternative Kulturorte in Südbrandenburg dokumentiert worden. Bei der AfD, in der rechtsextremen Szene und ihren Medien führte das Urteil zu Jubel – sie werden ihren Triumph auskosten und sich gestärkt fühlen. Insofern: keine gute Nachricht. Auf der anderen Seite ist fraglich, wie sehr eine Bestätigung des Verbots «Compact» und seinem Umfeld tatsächlich zugesetzt hätte. Die rechtsextreme Szene ist in Teilen des Landes schlicht zu gross, um sich durch solche Massnahmen dauerhaft in die Schranken weisen zu lassen. Der Chefredaktor des Schmierblatts, Jürgen Elsässer – ein ehemaliger Linker, der jahrzehntelang bei nahezu allen linken Zeitschriften der Bundesrepublik tätig war –, hatte bereits vor dem Urteil angekündigt, man habe mehrere Alternativpläne in der Schublade, sollte das Verbot Bestand haben.

Für staatskritische Linke wirft der Fall «Compact» allerdings noch andere Fragen auf – Fragen, die über das Verhältnis von Pressefreiheit und Demokratieverteidigung hinausgehen. Es geht um die Verlässlichkeit und antifaschistische Tauglichkeit jener Institutionen – vom Verfassungsschutz über das Innenministerium bis hin zur Justiz –, die an diesem Verfahren beteiligt waren. In der Verbotsverfügung hatte das Ministerium die Verfassungsfeindlichkeit von «Compact» unter anderem aus dem dort propagierten ethnischen Volksbegriff abgeleitet. Doch auch andere Inhalte und Begründungen können herangezogen werden, um Medien unter Berufung auf das Vereinsrecht und den Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit zu verbieten. Das zeigt sich etwa daran, dass es bereits ähnlich begründete Verbote linker Medien- und Kulturprojekte gab. So wurde das Portal linksunten.indymedia 2017 verboten – unter anderem, weil es sich «gegen die verfassungsmässige Ordnung gewandt» habe. Der kurdische Mezopotamien-Verlag geriet 2019 ins Visier – mit Verweis auf seine mutmassliche Nähe zur PKK, die seit 1993 in Deutschland kriminalisiert wird.

«Compact» betreibt in der Tat widerliche, menschenfeindliche Hetze. Doch für die Umsetzung vieler migrationsfeindlicher Forderungen, die dort seit der Erstausgabe 2010 verbreitet werden, sorgt mittlerweile die Bundesregierung selbst. Sich im Kampf gegen rechte Ideolog:innen auf genau jene Exekutor:innen verlassen, die diese Politik umsetzen? Schwierig. Mindestens diskussionswürdig.