AfD-Einstufung: Jetzt auch mit Gütesiegel
Die Alternative für Deutschland ist rechtsextremistisch – das war schon vor der nun erfolgten Einstufung durch den Verfassungsschutz klar. Ob diese für die AfD negative Folgen haben wird, ist dagegen fraglich.

«Gesichert rechtsextremistisch» – was alle, die die Entwicklung der Alternative für Deutschland verfolgt haben, seit langem wissen, und was für mehrere AfD-Landesverbände ohnehin schon galt, ist nun auch für die gesamte Bundespartei amtlich besiegelt. Von einem selbst höchst zweifelhaften Amt allerdings: dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).
Der Verfassungsschutz ist der deutsche Inlandsgeheimdienst, der qua Zuständigkeit auch Linke beobachtet, bis 2014 überwachte er beispielsweise Bundestagsabgeordnete der Linkspartei. Er war tief verstrickt in die nach der Wende wachsende Neonaziszene und agierte im Dunstkreis des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), der in den nuller Jahren unbehelligt durch Deutschland ziehen und Migrant:innen ermorden konnte.
Dieser Verfassungsschutz jedenfalls hat nun Ende der vergangenen Woche auf Grundlage eines von ihm erstellten Gutachtens die ganze 2013 gegründete AfD als «gesichert rechtsextremistisch» eingestuft. Das Gutachten hält das BfV unter Verschluss, es erklärte allerdings, die Einstufung erfolge «aufgrund der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei» und weil «das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmässige Volksverständnis nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar» sei. Die AfD reichte am Montag Klage gegen den Entscheid ein.
Verbot? Abbau der Brandmauer?
Hat die Einstufung Bestand, könnten Beamt:innen, die AfD-Mitglieder sind, künftig Schwierigkeiten bekommen. Diskutiert wird zudem, ob dann die staatliche Parteifinanzierung gestoppt werden könnte. Das forderten etwa die Grünen und die Linkspartei.
Unmittelbare Folgen dürfte die Neueinstufung indes nicht haben. Allerdings hat sie einer Debatte neue Nahrung gegeben, die eigentlich gerade abgeklungen war: jener um ein Verbot der AfD. Über ein solches Verbot wie auch über den Stopp der staatlichen Parteienfinanzierung kann allein der Bundesgerichtshof entscheiden – auf Antrag. Einen Antrag wiederum können nur Bundestag, Bundesrat (die Kammer der Landesregierungen der Bundesländer) oder die Bundesregierung stellen.
Nach Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv im Januar 2024 zu den Remigrationsplänen der AfD gab es wochenlang Demonstrationen gegen Rechts. In dieser Zeit entstand auch das zivilgesellschaftliche Bündnis «AfD Verbot jetzt». Die deutsche Geschichte, so ein Argument der Befürworter:innen eines Verbots, habe gezeigt, dass die Demokratie auch auf demokratischem Wege abgeschafft werden könne, wenn man Demokratiefeind:innen nicht rechtzeitig stoppe.
In den Reihen der Bundestagsabgeordneten kam es tatsächlich zu parteiübergreifenden Initiativen für ein Verbot. Ein entsprechender Antrag wurde im Januar noch im alten Bundestag diskutiert und dann an einen Ausschuss verwiesen, wo er liegen blieb, weil es keine Mehrheit für eine endgültige Abstimmung gab. Befürworter:innen eines Verbots hoffen jetzt auf neuen Rückenwind. Die Bremer Landesregierung aus SPD, Grünen und Linkspartei kündigte bereits an, im Bundesrat eine neue Initiative für einen Verbotsantrag starten zu wollen. Ob die Chancen dafür nun günstiger stehen, ist allerdings fraglich.
Die CDU hat erst kürzlich eine offene Debatte darüber begonnen, ob die sogenannte Brandmauer – der prinzipielle Ausschluss einer Zusammenarbeit mit der AfD – auch offiziell abgebaut werden sollte. In der Praxis finden Kooperationen auf kommunaler Ebene ohnehin schon vielerorts statt, gerade in jenen ostdeutschen Ländern, in denen die AfD vom Verfassungsschutz schon längst als rechtsextremistisch eingestuft war, was die begrenzte Wirksamkeit solcher Siegel erahnen lässt.
Schub fürs Dissident:innenimage
Viele prominente Politiker:innen aus der Union, darunter der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt von der CSU, äusserten sich nach der Neueinstufung durch den Verfassungsschutz skeptisch gegenüber einem Verbotsantrag. SPD-Chef Lars Klingbeil betonte, was immer wieder gesagt wird: Man müsse die AfD «politisch kleinkriegen». Für CDU und SPD hiess das in den letzten Jahren allerdings oft, Programmatik und Sprache der AfD zu ihrer eigenen zu machen – was diese wiederum nicht schrumpfen, sondern weiterwachsen liess.
Weiterwachsen lässt die AfD auch ihr Image als einzige wirkliche Opposition. Dass sich ihre Anhänger:innen vom Siegel «gesichert rechtsextremistisch» abschrecken lassen, ist daher höchst unwahrscheinlich. Bisher wuchs der Zuspruch für die AfD parallel zu ihrer Radikalisierung. Eher könnte ihr die Hochstufung also weiteren Auftrieb geben, weil sie vermeintlich belegt, dass die AfD ein Verein verfolgter Dissident:innen sei. Gerade dort, wo sie besonders stark ist, im Osten Deutschlands, lebt die Partei von diesem Selbstbild. Unter anderem in Sachsen-Anhalt wird im kommenden Jahr gewählt, die AfD liegt dort in Umfragen bei über dreissig Prozent.
David Begrich, der im sachsen-anhaltinischen Magdeburg bei der Arbeitsstelle Rechtsextremismus des Vereins Miteinander tätig ist, schrieb vor wenigen Tagen in der «taz»: Nicht ein Nachrichtendienst werde «die Demokratie verteidigen, sondern die Menschen, die sie vor Ort mit Leben erfüllen».
Zum Drama um die Kanzlerwahl von Friedrich Merz in Deutschland finden Sie einen «WOZ täglich»-Kommentar auf www.woz.ch/kanzler.