Literatur: Liebe Arbeitswelt

Heike Geissler ist eine Zweiflerin, Sammlerin, eine feinfühlige Beobachterin. Und eine Autorin, die schreibt: «Es ist Arbeit, die Gegenwart wahrzunehmen, es ist Arbeit, nicht in Groll und Panik zu verfallen, es ist Arbeit, bei Verstand zu bleiben.» Gegen die Zumutungen der Welt setzt Heike Geissler ihren Stift an, in Büchern wie «Liegen. Eine Übung» (2022), «Verzweiflungen» (2025) oder jetzt in «Arbeiten», ihrem jüngsten Essayroman. Darin denkt sie über Sinn und Unsinn dieser zielgerichteten Tätigkeit nach, die unser Leben durchdringt: die Arbeit. Mit der deutschen Autorin unterwegs zu sein, heisst, sich lustvoll durchs Gestrüpp zu schlagen, auf überraschende Pfade zu geraten. Ihre Kunst ist das Abschweifen. «Abdriften als freudige Unternehmung» nennt Geissler das und erinnert dabei an zeitgenössische Autorinnen wie Kate Zambreno, Maggie Nelson oder Rebecca Solnit. Ihre Bücher sind tänzerische Suchbewegungen, Texte gegen den Leistungsimperativ unserer Gesellschaft.
Heike Geissler schreibt sich selbst in ihre Texte ein und verknüpft eigene Erfahrungen mit von anderen gesammelten. So auch im neusten Buch, wo sie Arbeit ausgehend von der Kleidung reflektiert, die sie trägt, oder von den Handwerkern in der Wohnung, mit dem Ziel, das Feld der Arbeitswelt abzustecken, zu schauen, «wann und unter welchen konkreten Bedingungen Arbeit verrichtet wird». Sie erzählt auch von arbeitenden Händen, die in Verteilzentren ihre Leggins berührt haben, vom Kurier, der sich in Rage spricht, und von ihrer Arbeit am Schreibtisch. Von einer kranken Freundin, deren Arbeit darin besteht, «nicht den Mut zu verlieren». Von den Arbeitsleben ihrer in der DDR aufgewachsenen Eltern, deren Berufe mit dem Übergang in die kapitalistische Arbeitswelt entwertet wurden.
Ihre persönlichen Erkundungen führen weit über die eigene Lebensrealität hinaus und sind angetrieben von einem politischen Willen nach Veränderung. «Ich will ins Offene», schreibt Geissler. Und meint damit schliesslich auch, über Arbeit anders nachzudenken: als Pause, als Streik, als Müssiggang zum Beispiel.