Sachbuch: Feministisch im Wallis

Welches Sachbuch hat in der Schweiz am meisten zur Verbreitung feministischer Ideen beigetragen? Fast sicher «Frauengeschichte(n)» von Heidi Witzig und Elisabeth Joris, erschienen im November 1986, Ende Jahr waren schon 5000 Exemplare verkauft. Das Buch mit dem Untertitel «Dokumente aus zwei Jahrhunderten zur Situation der Frauen in der Schweiz» wurde viermal nachgedruckt. Mit seinen ermutigenden, aber auch empörenden Geschichten trug es wohl entscheidend dazu bei, dass der Frauenstreik von 1991 so gross wurde.
Nun hat die 1946 geborene Historikerin Elisabeth Joris der Verlegerin des «Hier und Jetzt»-Verlags, Denise Schmid, ihr Leben erzählt. Gemeinsam brachten sie es in Buchform.
In Visp in eine unkonventionelle Familie geboren, war Joris als Kind frommer als die Eltern – niemand entkam im Oberwallis dem Einfluss der katholischen Kirche. Später studierte sie in Zürich Geschichte, erlebte den Aufbruch von 1968 mit und versuchte ihn mit Freund:innen auch ins Wallis zu bringen: mit Happenings, der Gruppe «Kritisches Oberwallis» und der Zeitung «Rote Anneliese». In Peter Seiler fand sie einen Partner, der es ernst meinte mit der Gleichberechtigung. In einer Zürcher Hausgemeinschaft zogen sie zwei Söhne gross, Joris arbeitete als Gymnasiallehrerin und freischaffende Historikerin. Eine geglückte Kombination von Tätigkeiten, geprägt von intensiven Frauenfreundschaften: Wenn Peter nicht gewesen wäre, wäre sie wohl eher eine Beziehung zu einer Frau eingegangen, meint Joris. Heute engagiert sie sich bei den Klimaseniorinnen.
Als Historikerin denkt Joris in der eigenen Biografie die Gesellschaft immer mit. In Erinnerung bleiben die erschütternden Beispiele von «jungen Töchtern» ihrer Generation, die psychisch krank wurden, teils Suizid begingen. «Man hörte diesen jungen Frauen nicht zu, gab ihnen nicht die Chance, ihre Fähigkeiten oder Interessen selbstständig zu entwickeln […]. Ihre Familien sahen in ihnen nur zukünftige Ehefrauen und Mütter.» Joris’ Mutter betonte hingegen stolz: «Meine Tochter ist Feministin.»