Sachbuch: Marx’ letzte Reise

Nr. 27 –

Diesen Artikel hören (2:36)
-15
+15
-15
/
+15
Buchcover von «Karl Marx in Algier. Leben und letzte Reise eines Revolutionärs»
Uwe Wittstock: «Karl Marx in Algier. Leben und letzte Reise eines Revolutionärs». C. H. Beck Verlag. München 2025. 250 Seiten.

«Karl Marx in Algier» von Literaturkritiker Uwe Wittstock ist eine vergnüglich zu lesende Biografie – geschrieben von einem Autor, der weder Marxist noch Marxologe ist, aber sein Handwerk versteht. Es ist ein Reisebericht in acht Episoden über Marx’ letzte Reise, die ihn – auf ärztliche Empfehlung – nach Nordafrika, nach Algier führte. Dazwischen werden die wichtigsten Stationen des Lebenswegs des Revolutionärs vorgeführt – von seiner Jugend in Trier über sein Studentenleben in Berlin, seine glücklichste Zeit in Paris, die Jahre in Brüssel, die Revolutionsjahre 1848/49 in Köln als Chefredaktor der «Neuen Rheinischen Zeitung», die ersten schweren Jahre im Londoner Exil.

Der historische Marx war ein Mann mit Widersprüchen. Seine verschiedenen Seiten – als Wissenschaftler, als Journalist, als politischer Aktivist, als Freund und Familienvater – stellt Wittstock nuancenreich vor, immer nah an den Quellen, auf der Höhe der Forschung und in ihrem historischen Kontext. So gut und lebendig der Autor die Stationen von Marx’ Leben, insbesondere seine zehn Wochen in Algier, schildert, so wenig zuverlässig sind seine kurzen Zusammenfassungen der marxschen Werke und der Theorie. Das fängt mit Wert und Mehrwert an, hört damit aber leider nicht auf.

Das letzte Foto des alten Marx, das noch existiert, entstand während des Aufenthalts in Algier. Kurz danach hat sich Marx den Bart abnehmen und die Haare schneiden lassen. Wittstock deutet das als einen Abschied von der Rolle des Propheten. So hatte sich Marx allerdings nie gesehen – sondern als Pionier und Begründer einer neuen Sozialwissenschaft, die den modernen Kapitalismus und dessen Tendenzen analysiert und kritisiert. Dies Vermächtnis hat noch immer Bestand, auch wenn uns viele marxsche Einsichten heute so selbstverständlich vorkommen, dass wir nicht mehr verstehen, wie revolutionär sie damals waren.