Kommentar von Ralf Leonhard: Kärnten und das Zwölf-Millionen-Honorar

Nr. 33 –

Eine Schockwelle schwappt nach Wien: Der Kärntner Skandal um illegale Parteienfinanzierung stellt die gängige Politpraxis in Österreich infrage.

Ein diskretes Kuvert mit 65 000  Euro in bar hat ein Beben ausgelöst, das Österreichs politische Landschaft wirkungsvoll erschüttern könnte. Den Umschlag bekam Josef Martinz, der damalige Chef der ÖVP Kärnten, an einer Rotary-Weihnachtsfeier 2008 von seinem Steuerberater Dietrich Birnbacher zugesteckt. Birnbacher hat dies kürzlich vor Gericht gestanden. Martinz, der bis dahin standhaft den Unschuldigen gemimt hatte, gab nun zu, was längst vermutet wurde: Ein Honorar von zwölf Millionen Euro für ein sechsseitiges Gutachten (über die Kärntner Landesholding), das er und der damalige Landeshauptmann Jörg Haider 2007 Birnbacher versprochen hatten, sollte der illegalen Parteienfinanzierung dienen. Die Höhe des Honorars hatte bereits damals für viel Medienwirbel gesorgt.

Gemäss Birnbacher sollte das Honorar (nach Abzug der Steuer) gedrittelt werden: je ein Anteil für ihn selbst, die ÖVP Kärnten und das von Haider gegründete Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), das inzwischen Freiheitliche in Kärnten (FPK) heisst, mit der rechtspopulistischen FPÖ assoziiert ist und den Landeshauptmann sowie die Mehrheit im Landtag stellt. Geflossen sind am Ende nur sechs Millionen, da Haider angesichts des Medienwirbels einen «Patriotenrabatt» verordnete. Ende 2008 verunfallte Haider tödlich. Laut Birnbacher sollen dann nur rund 100 000  Euro an die ÖVP geflossen sein; die BZÖ habe trotz Nachfrage nichts erhalten. 65 000  Euro bekam Martinz an jenem Weihnachtsessen 2008.

Jüngste Umfragen zeigen einen geradezu revolutionären Stimmungswandel in Kärnten: Künftig könnte das Land von einer rot-grünen Koalition angeführt werden. Entsprechend fordern die Parteien Neuwahlen für den Herbst – was die FPK jedoch blockiert. Dass die Grünen ihren Stimmenanteil gar verdreifachen könnten, ist Landesparteichef Rolf Holub zu verdanken, ohne dessen Beharrlichkeit der Skandal nie aufgedeckt worden wäre. Die Schockwelle hat auch bereits Wien erreicht. Die gesamte politische Kaste muss sich nun erklären. Denn in Kärnten wurde nur auf die Spitze getrieben, was in fast allen Parteien gängige Praxis war: die Vermischung demokratischer Politik mit den Geld- und Machtgelüsten einzelner Politiker.

Was die Grünen, die bisher eine weisse Weste haben, längst fordern, wurde auf nationaler Ebene Anfang Juli endlich auch durchgesetzt: Transparenz über die Parteikassen und klare Antikorruptionsbestimmungen.

In Kärnten wird derzeit vor einer staunenden Bevölkerung ein Blendwerk demontiert. Das System Haider galt lange als unschlagbares Erfolgsmodell. Die durch windige Balkangeschäfte viel zu schnell gewachsene Bank Hypo Alpe Adria wurde von Haider als Goldesel missbraucht. Kurz vor dem Kollaps wurde sie der Bayern LB untergejubelt, wenig später musste sie von Österreich notverstaatlicht werden. Bei ihrem Verkauf verdienten vor allem Freunde Haiders, die offenbar genau wussten, wann sie ihre Aktien abstossen mussten. Für das Volk gab es Brot und Spiele. Zuschüsse an Mütter und Rentner zahlte Haider persönlich in bar aus. Russische Millionäre und irakische Saddam-Hussein-Getreue wurden im Schnellverfahren eingebürgert, wenn sie angemessene Investitionen versprachen. Gleichzeitig gewährte der ehemalige ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel seinem Koalitionspartner Haider in Kärnten volle Narrenfreiheit, damit ihm dieser nicht zu fest in der Bundespolitik dreinredete. Heute haben die KärntnerInnen in Österreich die geringste Kaufkraft und die höchste Verschuldung pro Kopf.

Nun übt sich die FPK in Schadensbegrenzung – Neuwahlen will sie erst im Frühjahr. Aber Haiders System, von dem sie gut gelebt hat, stellt sie nicht infrage, eine personelle Erneuerung zeichnet sich nicht ab. Doch sie könnten sich verkalkulieren, denn das gesellschaftliche Klima in Kärnten wandelt sich. Auf der anderen Seite des Karawankengebirges liegt nicht mehr der kommunistische Osten, sondern der EU-Nachbar Slowenien. Die VertreterInnen der ethnischen SlowenInnen und der Bürgerinitiative Kärntner Heimatdienst (KHD), die einander unversöhnlich gegenüberstanden, sind sich in einem mehrjährigen Dialog nähergekommen. Zuletzt überraschte KHD-Chef Josef Feldner mit der Aussage: «Der bewaffnete Widerstand der Partisanen war historisch notwendig.» Damit würdigte er die Rolle der SlowenInnen bei der Neugründung der Republik nach der Naziherrschaft. So weit sind die rechten Parteien noch lange nicht.