Die Ideologien der Ecopopperinnen: Wie die «unheimlichen Ökologen» denken

Nr. 24 –

Voraussichtlich im Herbst dieses Jahres kommt die Ecopop-Initiative zur Abstimmung. Von welchen ideologischen Mustern lassen sich ihre ProtagonistInnen leiten? Ein Vorabdruck aus dem Buch «Die unheimlichen Ökologen» zeigt, in welch bedenklicher Tradition diese Denkweise steht.

«Die Schweiz den Schweizern – Afrika den Afrikanern»: Der grüne Bioregionalismus will die Kulturen schön säuberlich voneinander trennen. Illustration: Marcel Bamert

Nicht nur in den beiden Themenbereichen Bevölkerungspolitik und Einwanderungsbeschränkung tummeln sich «unheimliche Ökologen», auch sonst sind sie anzutreffen. In manchen Bereichen bieten ökologische Fragestellungen sowohl für progressive Umweltschützerinnen als auch für Ökologen von rechts aussen Anknüpfungspunkte. Daher müssen die Argumente für eine ökologische Politik immer auch kritisch hinterfragt werden.

Wir teilen die politische Haltung von Oliver Geden, der in seinem Buch «Rechte Ökologie» formuliert hat, «dass es das Ziel und teilweise auch die Voraussetzung umweltpolitischen Engagements sein muss, Emanzipation und Selbstbestimmung des Menschen zu fördern, wozu Umweltschutz nur eine Komponente unter vielen anderen darstellt». Aber wir wissen auch, dass nicht alle, die sich für ökologische Ziele einsetzen, dies auch tun. Gerade wer die Umweltkrise ernst nimmt und auch politisch entschieden darauf reagieren will, muss sich darum der Frage stellen, welche gewollten oder ungewollten Nebenwirkungen bestimmte politische Haltungen haben und welchen politischen Bewegungen man sich bewusst oder unbewusst annähert, wenn man deren Denkfiguren in seinen eigenen Reflexionen übernimmt.

Hier zeigen wir deshalb Merkmale einer politischen Ökologie auf, die dem Ziel, die Selbstbestimmung des Menschen zu fördern, entgegenläuft. Wir orientieren uns dabei grob an der Gliederung, die Oliver Geden aufgestellt hat.

Naturalisierung des Menschen

Der Biologismus betrachtet den Menschen nicht als gesellschaftliches Wesen, sondern vorab als eine intelligentere Tierart. Dabei wird angenommen, dass die gleichen ökologischen Gesetze für alle Lebewesen gelten – und dass diese Gesetze von der Wissenschaft der Ökologie wertfrei vermittelt werden. Aus den ökologischen Gesetzen wird zudem oft auch eine «natürliche» Gesellschaftsordnung abgeleitet.

Eine genauere Betrachtung zeigt allerdings, dass die Begriffe, mit denen die ökologischen Gesetze beschrieben werden, selbst bereits der gesellschaftlichen Sphäre entstammen: «Egoismus» oder «Altruismus», «Konkurrenz» oder «Kooperation», «Kampf» und «Wettbewerb» sind alles menschliche Wertungen. Wer dann den darwinistischen Überlebenskampf und die klare Rangfolge vom Stärksten hin zum Schwächsten, die er selbst mit gesellschaftlichen Begriffen in die Natur hineinprojiziert hat, wieder auf die menschliche Gesellschaft rückanwendet, erhält eine scheinbar natürliche Rechtfertigung für Ungleichheit, Ausbeutung und für starre gesellschaftliche Hierarchien bis hin zu vormodernen Vorstellungen eines von einer Elite regierten Ständestaats.

Die Naturalisierung der menschlichen Verhältnisse funktioniert somit als einfacher Fehlschluss. Die Bilder einer tatsächlichen oder angestrebten menschlichen Ordnung werden auf die Natur projiziert – und die mithilfe dieser Bilder an Bedeutung aufgeladene Natur wird dann umgekehrt wieder zur Begründung der menschlichen Ordnung herangezogen. Ein Beispiel: Man bezeichnet die Organisation eines Termitenbaus als Staat – um daraus abzuleiten, die menschliche Gesellschaft müsse eben im Sinn der natürlichen Ordnung nach einem gleichen staatlichen Organisationsmodell funktionieren. Oder man nennt den stärksten Löwen eines Rudels den «König der Löwen» und leitet daraus ab, dass eine Gruppe von Menschen natürlicherweise auch von einem König regiert werden muss. In beiden Fällen werden nicht nur Menschen mit Tieren gleichgesetzt, sondern umgekehrt auch menschliche Begriffe zur Interpretation der Rolle der Tiere benutzt – und diese Interpretation dann wieder auf die Gesellschaft angewendet.

Nationalisierung der Ökologie

Der Biologismus macht nicht beim Menschen halt. Im Denken rechter Ökologen wie Werner Georg Haverbeck, Mitbegründer des Weltbundes zum Schutze des Lebens (WSL), wird auch die Nation selbst zur Natur. Während die eingeborenen Bewohner einer Nation mit der dortigen Natur verbunden gedacht werden, sind es die von aussen kommende Naturfremdheit und der Herrschaftswille, die die ursprüngliche, vorindustriell idyllische Einheit der Bauern mit ihrer Heimat zerstören. Begründet wird dies mit einem bemerkenswerten argumentativen Salto: «Wohin es führt, gegen die Natur zu denken, beweist gerade die ökologische Krise, und es hiesse daher, sich zur Ökologie in Widerspruch zu setzen, wenn man die Nationen verleugnen wollte.»

Die Nation wird so in einem Zirkelschluss zum natürlichen Biotop für das Volk.

Bioregionalismus

Vertreter des Bioregionalismus gehen noch einen Schritt weiter. Sie plädieren für einzelne, abgeschlossene Regionen, in denen die kulturelle und spirituelle Einheit der dort «natürlich verwurzelten» Menschen mit ihrer natürlichen Umgebung unter gleichzeitiger Ab- und Ausgrenzung aller Fremden gelebt werden soll.

Getreu dem Dogma der neuen Rechten betonen heute grüne Nationalisten und Bioregionalisten oft nicht – wie dies der klassische Rassismus tut – die Überlegenheit einer bestimmten Rasse, Nation oder Kultur über alle anderen, sondern plädieren vielmehr im Sinn des Ethnopluralismus für das getrennte Nebeneinander. Allerdings soll und kann für sie jede Kultur nur an dem ihr von der Natur zugewiesenen Ort gelebt werden, frei nach dem Motto «Die Schweiz den Schweizern – Afrika den Afrikanern». Eingewanderte dagegen stören – genau gleich wie gebietsfremde Pflanzen, sogenannte Neophyten, im Bereich der Botanik – das natürliche Gleichgewicht der Heimat. Vermischung ist des Teufels und «unnatürlich»: Mit dieser Übertragung der Idee des Artenschutzes auf die Gesellschaft werden dann Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit als natürliche menschliche Reaktion gerechtfertigt.

Ökodiktatur und Ökoimperialismus

Immer wieder im Repertoire rechter Ökologen findet sich auch ein mehr oder weniger ausgeprägter Wunsch nach einem möglichst starken Staat – bis hin zu einer Ökodiktatur. Wenn es um die Rettung der Menschheit oder um das ökologische Überleben der eigenen Nation geht, müssen in dieser Sicht die Einzelinteressen und die persönlichen Rechte, die in einem demokratischen Rechtsstaat ihren Ausdruck finden, vor dem Gesamtinteresse zurücktreten. Wenn die Idee der Freiheit überhaupt noch verfolgt wird, so wird sie hier nicht mehr als Freiheit des Individuums, sondern als Freiheit der Nation gedacht.

Daran schliessen sich ökoimperialistische Spielarten an, die durchaus auch von Menschen mit einer linken Biografie vertreten werden. Unter dem Titel «Grüne Festung Europa» beschrieb beispielsweise Udo Knapp, der letzte Vorsitzende des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS), eines Sammelbeckens der neuen Linken Deutschlands, den «industrialisierten Norden als Burg, die gegen das südliche Vorland im Interesse der globalen Ökologie verteidigt werden (muss), damit es nicht zur Übernahme des nördlichen Lebensstandards durch den Süden (kommt), weil dies einen globalen ökologischen Kollaps bewirken würde».

Tiefenökologie

Besonders in esoterisch geprägten Kreisen auf Anklang stösst schliesslich die sogenannte Tiefenökologie. Sie wehrt sich gegen die Vorstellung, dass der Mensch die Krone oder gar der Herr der Schöpfung sei, und sieht ihn als gleichwertig mit jedem anderen Lebewesen in einem mythisch vollkommenen Biosystem. Was auf den ersten Blick wie eine durchaus wichtige Kritik an Machbarkeitswahn und Naturausbeutung aussieht, wendet sich aber gegen den Menschen. Denn der Begründer der Tiefenökologie, Arne Naess, gibt dem Menschen durchaus eine besondere Aufgabe: Er ist für den Erhalt der ökologischen Harmonie verantwortlich – darf aber dabei die Interessen eines Regenwurms oder einer Schabe nicht geringer gewichten als die Interessen eines Menschen.

Der ökolibertäre Murray Bookchin kritisiert zu Recht, dass die Tiefenökologie sich damit in tiefe Selbstwidersprüche verstrickt – denn auch der Tiefenökologe geht davon aus, dass der Mensch etwas Besonderes ist, eben nicht wie ein Tier lebt, bewusste Entscheidungen treffen muss. Aber genau bei diesen Entscheidungen darf er seine Besonderheit nicht berücksichtigen, nicht berücksichtigen, dass er ein soziales Wesen ist: Fragen der sozialen Verhältnisse können so nicht gestellt werden. Bookchin kritisiert an der Tiefenökologie, dass sie «bei all ihrem Interesse an der Manipulation der Natur (…) sehr wenig Interesse an der Frage (hat), wie menschliche Wesen einander manipulieren, ausser vielleicht, wenn es um die drastischen Massnahmen geht, die angeblich ‹nötig› sind für die ‹Bevölkerungskontrolle›».

Augen auf

Viele der konkreten einzelnen Forderungen, die sich aus den hier geschilderten Denkmustern ergeben, sind durchaus vernünftig und decken sich mit denen von emanzipatorischen ökologischen Kräften. Wer beispielsweise die Globalisierung hinterfragt und regionale Landwirtschaft oder lokale Wirtschaftskreisläufe fördern will, ist überhaupt nicht zwingend ein faschistoider Bioregionalist. Wer das neoliberale Laissez-faire im Umweltbereich kritisiert und für eine klar stärkere Gewichtung der Umweltinteressen in der Gesetzgebung eintritt, muss noch lange nicht einer Ökodiktatur das Wort reden. Und wer die Ausbeutung der Natur aus reiner Profitgier einiger Grosskonzerne kritisiert, muss kein menschenfeindlicher Tiefenökologe sein.

Umso wichtiger ist es aus unserer Sicht, genau und kritisch hinzuschauen, in welchem ideologischen Kontext und mit welchen Begründungen ökologische Forderungen gestellt werden.

Bestellungen: 
www.unheimliche-oekologen.ch
www.rotpuntverlag.ch

Balthasar Glättli (Nationalrat Grüne Partei) und Pierre-Alain Niklaus (Hrsg.): Die unheimlichen Ökologen. Sind zu viele Menschen das Problem?. Rotpunktverlag. Zürich 2014. 176 Seiten. 25 Franken