Sexuelle Gewalt: Bis «Nein» endlich Nein heisst

Nr. 18 –

Als am Dienstag dieser Woche 13 000 Menschen zum Tag der Arbeit durch die Zürcher Innenstadt marschierten, war zwischen den bunten Transparenten auch ein kleines violettes Pappschild zu sehen. Die Aufschrift: «No es abuso es violacíon» – das ist kein Übergriff, das ist Vergewaltigung. Mit dem Plakat drückten die Protestierenden ihre Solidarität in einem Fall aus, der zurzeit in Spanien für Aufsehen sorgt. Seit Tagen gehen dort Tausende gegen ein Gerichtsurteil auf die Strasse. Ihr Motto: «#YoSiTeCreo», ich glaube dir.

Ende April waren in der nordspanischen Stadt Pamplona fünf Männer wegen «sexuellen Missbrauchs» zu neun Jahren Haft verurteilt worden, weil sie am Rand der San-Fermín-Feierlichkeiten eine Achtzehnjährige zum Sex gezwungen hatten. Die Täter – unter ihnen ein Mitglied der paramilitärischen Guardia Civil und ein Angehöriger der Armee – hatten gefilmt, wie sie sich an der Frau vergingen, und ihre Aufnahmen dann über Whatsapp geteilt.

Während die Staatsanwaltschaft 23 Jahre Haft wegen «Vergewaltigung» gefordert hatte, sprach die Verteidigung von «einvernehmlichem Sex». Einer der Richter plädierte sogar auf Freispruch, weil sich die Frau «nicht gewehrt» habe. Nach spanischem Recht bedeutet «sexueller Missbrauch», dass keine «Gewalt» oder «Einschüchterung» vorlag.

Wann eine Grenze überschritten wird und wo Gewalt beginnt – all das kann nur das Opfer definieren. Das regelt auch die Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen gegen sexuelle Gewalt, die in Spanien seit 2014 in Kraft ist und seit Anfang des Monats auch endlich in der Schweiz gilt.

Die Richter in Pamplona sehen das offenbar anders. Besonders stossend ist ihre Annahme, dass Gewalt nur dann vorliegt, wenn eine Frau sich wehrt. Als müsste sie erst ihr Leben riskieren, um später glaubhaft zu sein!

Zum Glück sehen das viele SpanierInnen anders. Über 1,3 Millionen Menschen haben eine Petition unterzeichnet, in der sie fordern, die Richter zu entlassen. Und der Protest reisst nicht ab. Inzwischen erwägt die Regierung sogar eine Reform des Strafrechts. Die ist auch dringend nötig, denn offenbar ist ein «Nein» auch weiterhin nicht genug.