AfD-Finanzierung: Die nächste Swiss Connection

Nr. 46 –

Ein Zürcher Versandhandel verschickt eine Spende an die AfD. Weder die Inhaber noch die Partei wollen damit etwas zu tun haben. Doch die Konstruktion hat einen Schönheitsfehler.

Die Apotheke Fluntern in Zürich sieht völlig gewöhnlich aus. Untergebracht in einem grauen Bürogebäude, führt sie Medikamente, Kosmetik und den üblichen Traubenzucker im Angebot. Doch am Briefkasten der Apotheke ist noch ein weiteres Schild befestigt. Hier ist auch die «PWS PharmaWholeSale International» domiziliert. Der Name führt mitten in den neusten Spendenskandal der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD). Die PWS hat rund 150 000 Franken auf ein Konto des AfD-Kreisverbands Bodensee überwiesen, wie die ARD und die «Süddeutsche Zeitung» am Wochenende publik machten. Das Geld traf vom Juli bis September 2017 ein, gestaffelt in wöchentlichen Tranchen von zumeist 9000 Franken. Bestimmt war der Betrag für Alice Weidel, Spitzenkandidatin der AfD im deutschen Bundestagswahlkampf. So stand es auch in den Betreffen der Überweisungen.

Die PWS bezweckt laut Handelsregister die Fabrikation von und den Handel mit pharmazeutischen Produkten. Sie dient unter anderem als Schweizer Vertrieb für das deutsche Nahrungsergänzungsmittel Regulat. Gemäss Eigenwerbung soll es den «menschlichen Regulierungsmechanismus harmonisch unterstützen», dank einer «weltweit einzigartigen Kaskadenfermentation». Was bloss soll dieser Vertrieb mit der AfD zu tun haben? Geschäftsführer Kurt Häfliger ist abgetaucht, seit die Medien aus Deutschland und der Schweiz bei ihm Sturm läuten. Auskunft erteilt der einzige Verwaltungsrat Balz Jegge, Treuhänder in Altstätten.

«Als ich die Nachricht hörte, dass eine Pharmafirma der AfD gespendet haben soll, dachte ich zuerst an Sandoz. Dass wir gemeint sein könnten, kam mir nicht in den Sinn», sagt er im breitesten Rheintaler Dialekt. Geschäftsführer Häfliger stehe politisch der FDP nahe. Er habe das Geld vielmehr für einen «Geschäftsfreund» überwiesen, in einem «treuhänderischen Auftrag». Die Summe sei im Frühling von der AfD zurückbezahlt worden, die Sache für sie damit erledigt. Den Namen des Geschäftsfreunds will Jegge nicht kennen.

Gestückelt und verschleiert

Die Zuwendung an Alice Weidel ist juristisch aus zwei Gründen problematisch. Zum einen muss eine Partei in Deutschland die Bundestagsverwaltung unverzüglich über jede Spende ab der Höhe von 50 000 Euro informieren. Zum anderen sind Spenden aus dem Ausland nur dann zulässig, wenn sie von deutschen BürgerInnen stammen oder weniger als tausend Euro betragen. Anonyme Spenden sind grundsätzlich illegal. Die Bundestagsverwaltung hat die AfD nun um eine Stellungnahme gebeten. Auch die Staatsanwaltschaft Konstanz interessiert sich für den Fall. Sollten die Ermittlungen ergeben, dass die Spende an den Kreisverband Bodensee illegal war, droht der Partei eine empfindliche Strafzahlung.

Die Tranchierung der Spende deutet darauf hin, dass das Parteienfinanzierungsgesetz bewusst umgangen werden sollte. Falls Jegges Version stimmt, dann diente die Zahlung via PWS der Verschleierung des Absenders. Mit der Überweisung an den Kreisverband wurde vermieden, dass das Geld an Weidel persönlich geht. Entsprechend betonte sie dies gleich in ihrer ersten Stellungnahme.

Einen Schönheitsfehler hat die Konstruktion allerdings: Unabhängig davon, wer das Geld letztlich zur Verfügung gestellt hat, wurde die Spende von einer Schweizer Firma getätigt, deren Verantwortliche, Häfliger und Jegge, Schweizer Bürger sind: Es liegt deshalb formal nahe, dass die AfD mit der Annahme des Geldes gegen das Parteiengesetz verstossen hat.

Eine lohnende Investition

Die finanzielle Unterstützung der AfD aus der Schweiz gibt nicht zum ersten Mal zu reden. Als «Swiss Connection» wurde ein ominöser Verein bekannt, der die Partei seit März 2016 in zehn Landtagswahlkämpfen sowie im Bundestagswahlkampf unterstützte. Die Ausgaben für Plakatkampagnen und Werbezeitungen beliefen sich gemäss Schätzungen auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Betreut wird der Verein durch die Goal-Agentur von SVP-Werber Alexander Segert. Ende September deckte die WOZ auf, dass es im bayerischen Wahlkampf eine Zusammenarbeit zwischen Partei und Verein gab, was einen Konflikt mit dem Parteiengesetz bedeutet. Zuvor war publik geworden, dass Segert auch die Website für die Wahlkampagne von AfD-Parteichef Jörg Meuthen gestaltet hatte. Bis heute behaupten beide, es habe sich um einen «Freundschaftsdienst» gehandelt.

Auch im Hinblick auf die Spende aus dem Zürcher Apothekermilieu sind sich die ExponentInnen keiner Schuld bewusst. Weidel selbst will zwar bereits seit September 2017 von der Spende gewusst haben, schloss einen Rücktritt gegenüber deutschen Medien jedoch aus. Und auch Parteichef Alexander Gauland stellte sich hinter sie. «Ich glaube nicht, dass sie sich Vorwürfe machen muss», sagte er der «Bild»-Zeitung.

Das Geld soll Weidel im Wahlkampf tatkräftig eingesetzt haben, unter anderem für ihren Onlinewahlkampf (gekaufte Facebook-Likes) und einen Medienanwalt. Woher die Summe stammte, die der Kreisverband Bodensee später an die PWS in Zürich zurückzahlte, bleibt vorderhand offen. Mit dem Einzug in den Bundestag und den damit verbundenen staatlichen Zuwendungen war die finanzielle Zukunft der AfD zumindest gesichert. Erst recht für Weidel, die Fraktionschefin wurde.