Thomas de Courten: «Es wird ein hart geführter Abstimmungskampf»

Nr. 48 –

Thomas de Courten, Verwaltungsrat der Pensionskasse Asga, hat in der Kommission die Interessen der Finanzbranche durchgesetzt. Der SVP-Nationalrat nimmt Stellung zum bürgerlichen Plan zur Reform der Berufsvorsorge.

Thomas de Courten (SVP) Foto: Alessandro Della Valle

WOZ: Herr de Courten, Sie haben alle Wünsche der Banken sowie des Versicherungs- und des Pensionskassenverbands in Ihrer Kommission durchgebracht. Sie sind ein Lobbyist.
Thomas de Courten: Nein. Der Kompromiss von Gewerkschaften und Arbeitgeberverband, den der Bundesrat übernommen hat, ist unausgeglichen. Wir haben unter bürgerlichen Politikern ein Gespräch geführt, in das wir auch die Versicherungen miteinbezogen haben, ja. Die entwickelten Modelle haben wir in den politischen Prozess eingebracht. Was nun auf dem Tisch liegt, ist aber nicht der Plan des Versicherungs- oder des Pensionskassenverbands.

Doch. Sie haben die von den Sozialpartnern vorgeschlagene Abgabe auf den Lohn und entsprechend auch die Rentenzuschläge massiv gekürzt; es sollen nicht mehr alle einen Zuschlag erhalten.
Es stimmt, dass wir keinen Ausbau wollen: Es sollen nur jene etwas erhalten, die wegen der Reform sonst eine Einbusse hätten.

Von vorne: Der Bundesrat will eine Abgabe auf Löhne bis maximal 860 400 Franken, Sie aber wollen nur Löhne von bis zu rund 86 000 Franken belasten. Sie wollen Topverdienende schonen.
Umverteilt wird bereits in der AHV, und der Sozialpartnerkompromiss will das nun auch in der Berufsvorsorge. Ich bin der Meinung, dass die Solidarität in der ersten Säule ausreicht. Wir wollen keine Umverteilung in der zweiten Säule …

Viele werden die geplante Senkung des Umwandlungssatzes nicht spüren, weil sie überobligatorische Ersparnisse haben, mit denen die Kassen den heutigen Umwandlungssatz von 6,8 Prozent auf den obligatorischen Ersparnissen querfinanzieren. Sinkt der Satz, erhalten diese Versicherten dafür wieder etwas mehr für die überobligatorischen Ersparnisse. Diese Leute sollen gemäss Ihrem Plan keine Zusatzrente erhalten – obwohl ihre Rente aus den überobligatorischen Ersparnissen jahrelang gesunken ist. Das gilt auch für die Migros-Kassiererin.
Das ist ein gutes Beispiel: Die Migros-Kassiererinnen sind bereits überobligatorisch versichert. Deren Umwandlungssatz liegt heute schon mit 5,5 Prozent weit unter dem aktuellen Reformziel. Die Migros-Pensionskasse hat schon vor Jahren vorgesorgt, dass ihre Mitarbeitenden kaum von der aktuellen Revision betroffen sind.

Anders als die Sozialpartner wollen Sie die Zusatzrente auf fünfzehn Jahre beschränken. Verkäuferinnen, Pflegende oder Gewerbler, die unter fünfzig sind, werden zahlen, jedoch nie einen Rappen erhalten.
Wir gehen davon aus, dass die Kassen genug Rückstellungen haben, um die Zusatzleistungen aus dem eigenen Sack zu bezahlen. Dann braucht es auch die Lohnabgabe von 0,15 Prozent nicht, die wir vorschlagen.

Das Bundesamt für Sozialversicherung sagt, dass selbst die 0,15 Prozent nicht reichen. Es wird eine Abgabe brauchen.
Wir können diese Zweifel nachvollziehen. Wir haben jedoch geprüft, ob die Rückstellungen für Pensionierungsverluste bei den Vorsorgewerken vorhanden sind, und sind sicher, dass wir so die Zusatzrenten sichern können. Die Reform wird eh nicht die letzte sein. Wichtig ist nun, die Härten für die ersten fünfzehn Jahrgänge auszugleichen und den Jüngeren die Möglichkeit zu geben, zusätzlich zu sparen.

Mit dem Sozialpartnerkompromiss erhielten alle eine Zusatzrente. Vor allem Leute mit Tieflöhnen; insbesondere Frauen, aber auch Gewerbler kämen weit besser weg als mit Ihrem Plan. Wie können Sie als Vertreter einer Gewerbekasse hinter diesem stehen?
Ich sage, dass wir das Gewerbe mit unserem Modell stärken. Nur wenn wir den Umwandlungssatz senken, der längst nicht mehr tragfähig ist, können wir die eigenständigen Vorsorgewerke des Gewerbes erhalten.

Die Senkung ist ja auch im Sozialpartnerkompromiss unbestritten …
Aber der Preis für den Ausgleich ist dort viel zu hoch. Wir wollen diejenigen schützen, die Einbussen gewärtigen. Bundesrat und Sozialpartner wollen einen zusätzlichen Ausbau.

Ziel Ihres Plans ist es, das Geschäft der Finanzbranche auszubauen: Diese verdient mit der Berufsvorsorge laut Bund jährlich 5,6 Milliarden Franken. Sie wollen die geplanten Lohnbeiträge möglichst tief halten – und dafür die Einzahlungen in die zweite und dritte Säule erhöhen.
Ich kann Ihnen nicht folgen. Die Anlagebewirtschaftung liegt in den Händen der Stiftungsräte, nicht in denen der Finanzbranche.

Ich spreche nicht von den Stiftungsräten, sondern von Banken, Versicherern und Vermögensverwaltern, mit denen auch Ihre Kasse zusammenarbeitet; oder etwa auch von der Axa, die eine eigene Sammelstiftung führt, und Lebensversicherern wie Swiss Life.
Ich habe eine andere Optik auf die Thematik: Die Zinsen sind gesunken, sodass sich Kapital nicht mehr vermehrt. Eine optimierte Vermögensverwaltung ist deshalb zentral. Mit der Reform stärken wir die Berufsvorsorge, nicht den Bankenplatz.

Das ist aber der Grund, wieso Lukas Gähwiler, der Chef des Banken-Arbeitgeberverbands und neuer UBS-Vize, so treu an Ihrer Seite lobbyiert. Die 5,6 Milliarden sollen wachsen.
Nochmals: Eine profitable Vermögensanlage dient in erster Linie den Versicherten.

Sie haben Ihren Plan in der Kommission erfolgreich durchgesetzt. Wer hat das bürgerliche Lager auf Linie gebracht?
Das entscheidende Kriterium in der Kommission war, dass die Reform mehrheitsfähig ist und auch vor dem Volk bestehen kann.

Sie glauben, dass sie das kann?
Es wird in jedem Fall ein hart geführter Abstimmungskampf werden. Ich glaube, dass wir unseren Plan gut erklären können. Was vorliegt, ist nicht das Endresultat. National- und Ständerat werden weiter am Modell feilen.

Die Versicherer und Gähwilers Banken-Arbeitgeberverband sind überaus glücklich mit Ihrem Plan und haben die Nationalrät:innen per Brief aufgerufen, diesem zuzustimmen.
Ist das ein Vorwurf?

Nein, es zeigt aber, für wen Sie Politik machen.
Nein. Der vorliegende Plan ist eine Mannschaftsleistung; einer allein kann in der Kommission nichts ausrichten. Es ist ein ausgeglichener Kompromiss der konstruktiven bürgerlichen Kräfte.