Digitale Kultur: «Subversion ist kein Privileg der Linken»

Nr. 22 –

Warum Internetmemes einem uralten kulturellen Muster folgen und zugleich kaum moderner sein könnten: Die Berner Literaturwissenschaftler:innen Joanna Nowotny und Julian Reidy forschen zu den oft witzigen Text-Bild-Collagen, die das Netz bevölkern.

  •  
Joanna Nowotny

WOZ: Joanna Nowotny, Julian Reidy, wenn Sie im Bekanntenkreis erzählen, dass Sie eine wissenschaftliche Studie über Memes verfasst haben – wie oft ernten Sie da bloss verständnislose Blicke?
Joanna Nowotny: Das gibt es schon immer noch, dürfte aber auch eine Frage des Alters sein. Wobei Memes inzwischen in der Elterngeneration angekommen sind: Viele haben ja Familien-Chatgruppen, in denen auch Memes geteilt werden. Oft ist man aber vor allem überrascht, dass Memes ein interessanter Forschungsgegenstand sein sollen. Da kommt dann der Vorbehalt: Ihr habt ein Buch geschrieben über lustige Bildchen, die im Internet geteilt werden?

Julian Reidy: Es gibt auch Millennials, die erstens fragen: Memes – was ist das? Und zweitens: Darüber soll man kultur- und literaturwissenschaftlich forschen können?

Und wie lautet Ihre Antwort?
Reidy: Das Erste ist relativ schnell erklärt: Memes meinen eine Informationseinheit, in der meistens Text und Bild auf oft humorvolle Weise kombiniert sind – darunter können sich auch Grosseltern etwas vorstellen. Das Zweite ist schwieriger zu beantworten: Warum sind Memes ein analysebedürftiger, forschungswürdiger Gegenstand?

Nowotny: Als wir anfingen, zu dem Thema zu arbeiten, haben wir einen Aufsatz über politische Memes geschrieben. Den haben wir in einem literatur- und kulturwissenschaftlichen Kolloquium vorgestellt, wo in der Regel Literatur im klassischen Sinn diskutiert wird. Dort war man schon erstaunt über unseren Beitrag.

Reidy: Das war kurz nach den rechtsextremen Ausschreitungen in Charlottesville 2017, bei denen die Symbolik des Pepe-Memes eine Rolle spielte und wo man plötzlich sah, dass ein Zusammenhang zwischen Memes und rechtsextremer Gewalt existiert. Damals begann man zu registrieren, dass es keine klare Unterscheidung gibt zwischen einem abgefuckten Nazionlinespace und der Realität, dass das durchlässig ist.

Trotzdem ist Ihr Thema aus wissenschaftlicher Sicht eher apart, oder?
Nowotny: Wir haben nun zwar die erste deutschsprachige Monografie zu Memes veröffentlicht, international gibt es in der Medien- und auch Bildwissenschaft aber bereits eine relativ umfangreiche Forschung zu Memes.

Julian Reidy

Reidy: Unsere Innovationsleistung liegt darin, dass wir mit dem interpretatorischen und begrifflichen Rüstzeug der Literatur- und Kulturwissenschaften diese sonderbaren kulturellen Artefakte analysieren. Wir lesen und würdigen Memes mit derselben Aufmerksamkeit, die man sonst für Texte von Franz Kafka oder Thomas Mann reserviert. Und das war und ist auch gerechtfertigt durch die Komplexität und den hohen Grad an Ambivalenz, den diese Artefakte entfalten.

Wie würden Sie definieren, was ein Meme ist?
Nowotny: Ein Meme ist eine kulturelle Formation – ein Text, ein Bild, ein Gif, ein Video oder eine Kombination dieser Elemente –, die verbreitet und im Akt dieser Verbreitung immer wieder von verschiedenen Rezipient:innen verändert wird. Wir nennen das memetische Replikationsketten. Dass Inhalte an verschiedene Kontexte angepasst und endlos variiert werden, ist ein Muster, das wahrscheinlich so alt ist wie die Kultur selbst. Es hat aber mit der spezifischen Qualität der digitalen Kultur zu tun, in der alle gleichzeitig Produzent:innen und Rezipient:innen sind, dass dieses Muster jetzt einen solchen Siegeszug angetreten hat.

Gerade die ständigen Modifikationen unterscheiden ein Meme also von einem bloss viralen Inhalt, etwa einem lustigen Foto, das geteilt wird, aber unverändert bleibt?
Nowotny: Genau, Veränderung muss im Spiel sein. Wir haben den etwas hochtrabenden Neologismus der «Memesis» geprägt, um dieses rezeptions- und produktionsästhetische Merkmal auf den Punkt zu bringen.

Reidy: Der Ausdruck spielt auf die Mimesis im Sinne von Aristoteles an, der damit eine anthropologische Konstante bezeichnen wollte: Wir haben Freude an Nachahmungen, an Darstellungsprozessen, an Schauspielen. Bei der Memesis handelt es sich aber nicht um eine bloss kopierende Wiedergabe, sie weist immer ein Moment der Umgestaltung auf. Daher gibt es auch kein Meme in der memetischen Kette, das beanspruchen könnte, das eine autoritative Original zu sein: Es gibt nicht «den» Autor, «die» Autorin oder «das» Original.

«Memesis» ist also Ihre Begriffsschöpfung?
Nowotny: Ja, das hat angefangen als Witz von mir – und dann haben wir uns gesagt: Komm, wir nehmen den Begriff einfach ernst! So beginnt Theoriebildung manchmal. (Lacht.)

Reidy: Ich halte das aber auch für sachlich gerechtfertigt. Am Ursprung des Meme-Begriffs steht die Idee des Soziobiologen Richard Dawkins, dass überall dort, wo es Kultur gibt, auch Memes existieren. Damit meint er, in Entsprechung zum Begriff des «Gens», Bewusstseinsinhalte, die ihrerseits sozusagen vererbt und dabei modifiziert werden. Er spricht in diesem Zusammenhang von «Imitation». Um aber die spezielle Verschränkung von Produktion und Rezeption – eben nicht als Darstellung oder Nachahmung, sondern als umgestaltende, produzierende Rezeption – herauszustreichen, wollten wir einen neuen Begriff einführen.

Von Memes weiss man ja nie genau, woher sie stammen und wer sie verändert hat. Wenn also auf Memes klassische Konzepte wie Autorschaft oder Originalität nicht mehr passen, macht sie das zu etwas Subversivem?
Nowotny: Memes sind hier sicherlich exemplarisch für einen kulturellen Wandel – die Entmachtung von Geniekonzeptionen beispielsweise. Memes operieren auch oft bewusst mit einer Ästhetik des Hässlichen oder Parodistischen – schon allein das unterläuft Vorstellungen von einem Genie, das ein erhabenes künstlerisches Werk schafft. In dieser Hinsicht passen Memes sehr gut in unsere Zeit.

Reidy: Wir fragen aber auch: Was wird hier eigentlich unterwandert? Oft wird der Begriff der Subversion naiv verwendet: Memes gelten dann als basisdemokratisch entstandene Gebilde, die neue Formen der Partizipation für marginalisierte Gruppen ermöglichen und herrschende Normen subvertieren sollen. Das blendet aus, dass auch die andere Seite subversiv tätig sein kann, was erst nach den Schocks der Trump-Wahl und des Brexit so recht registriert wurde. Diese Ereignisse waren ja begleitet von einer memetischen Kakofonie – und man merkte: Subversion in einem demokratischen Gemeinwesen kann auch oder gerade heissen, dass man als Neonazi Memes generiert. Man hat fälschlicherweise lange geglaubt, dass Subversion ein Privileg der Linken oder kritischer Liberaler wäre.

Nowotny: Memes unterwandern zwar Konzepte von Autorschaft, und es ist auch oft eine anonyme Form der Produktion im Spiel. Man darf aber nicht vergessen, dass diese Anonymität auch der Äusserung von schlimmsten Gesinnungen und Ideologien entgegenkommt.

Reidy: In Memes kann sich ein kritisches Gegenwissen zu herrschenden Diskursen in farbenfroher und witziger Weise ausdrücken. Aber sie können auch von Nazis zur Rekrutierung und für Propaganda genutzt werden.

Wie kam es, dass Memes für die US-Rechte so wichtig geworden sind? Es gibt ja sogar den Begriff der «memetischen Kriegsführung», der etwa auch in einem von Ihnen zitierten Nato-Paper auftaucht: Memes werden gezielt für Propagandazwecke eingesetzt.
Nowotny: Man darf nicht vergessen, dass die angebliche Gezieltheit solcher Memeeinsätze teilweise auch ein Mythos ist, was man am Beispiel des Comicfroschs Pepe zeigen kann. Über Pepe wurde ja viel in den Medien berichtet, nicht zuletzt weil 2016 das Wahlkampfteam von Hillary Clinton in einem Video klargestellt hat, dass Pepe ein Symbol rechter Trump-Anhänger:innen sei. Das wurde medial aber aufgeblasen, vermutlich einfach, weil es ein interessantes und irgendwie absurdes Phänomen war.

Was hat es mit diesem Pepe auf sich?
Nowotny: Er war ursprünglich kein Nazisymbol. Pepe ist eigentlich eine Comicfigur des Zeichners Matt Furie – ein harmloser «stoner», der ein bisschen rumsifft und nicht so wahnsinnig lebensfähig ist. Er ist gut gelaunt und nett, kein Nazi, der rassistisch daherredet. Als das Pepe-Meme im Kontext der Trump-Wahl gross wurde, haben Leute aus der rechten Onlineszene erzählt, sie hätten eine bewusste Umwertung vorgenommen, Pepe also gezielt als Symbol für ihre Ideologie reklamiert. Das wurde auch von den Medien so kolportiert, obwohl sich bald herausgestellt hat, dass das Blödsinn war. Memetische Reproduktionsketten sind in der Regel gar nicht so zu steuern, da sind zu viele Zufälligkeiten im Spiel.

Also sind viele Medien einem rechten Mythos aufgesessen?
Nowotny: Das hatte damit zu tun, dass man diese Memes plötzlich auf politischen Kundgebungen sah und merkte, dass dahinter reale Personen stehen, die Rechtsextreme wählen, auf Nazikundgebungen gehen, sogar Amokläufe verüben. Bei den rechtsterroristischen Attentaten der jüngeren Vergangenheit haben Memes oft eine Rolle gespielt, man findet sie etwa in den «Manifesten» der Täter oder gar im Akt selbst, wenn das Gewehr des Täters mit Memes beschriftet ist. Das war ein Schock für die breite Öffentlichkeit – und deswegen wurde viel über den Erfolg rechter Memes geschrieben. Man muss diese Dinge natürlich sehr ernst nehmen, aber trotzdem aufpassen, dass man nicht rechte Mythen füttert oder schlimmsten Ideologien potenziell sogar Anhänger:innen zuführt, indem man dauernd über sie und «ihre» Memes berichtet.

Reidy: Eine interessante Frage ist, wie solche Memes in den Mainstream gelangen. Wir beziehen uns dabei auf den Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen, der in anderem Zusammenhang von «Informationswäsche» gesprochen hat: Im klick- und profitorientierten Journalismus ist man oft bereit, auch mal eine Information oder Bildlichkeit aus einer obskuren Ecke zu reproduzieren, die eine Sensation verspricht. Indem man das aber tut, wird diese Information sozusagen reingewaschen – und so kommen eben auch Inhalte aus düsteren Ecken des Internets in den Mainstream.

Der Humor spielt bei Memes eine wichtige Rolle. Dadurch wirken sie affektiv und eignen sich gut, Gemeinschaft zu stiften …
Nowotny: Das ist ein wichtiges Element. Humor ist aber kein definitorisches Kriterium für Memes. Zwar ist ein Grossteil der erfolgreichen Memes humoristisch. Es gibt aber auch sehr viele, die es nicht sind, was gerade für rechte Memes gilt. Diese sind dann nicht nur für uns nicht lustig, weil sie rassistisch oder sexistisch sind, sie sind auch nicht lustig gemeint. Ein Beispiel wäre das Meme «Operation blue the jew», das darin bestand, dass Rechtsextreme auf Fotos vermeintlich jüdische Konzernchefs oder Prominente blau einfärbten, um so die angebliche jüdische Unterwanderung der Eliten vorzuführen.

Reidy: Wenn man ein rezeptionsästhetisches Erfolgskriterium für Memes verallgemeinern wollte, wäre das nicht primär der Humor, sondern dass Memes an Affekte appellieren.

Sie können auch etwa Wutgefühle ansprechen.
Nowotny: Oder auch Ressentiments. Hier knüpfen wir an Simon Stricks Arbeit über «Rechte Gefühle» an: In seinem Buch zeigt er, wie die rechte Internetkultur generell mit affektiven Potenzialen arbeitet. Das gilt natürlich auch oder erst recht für die Memekultur.

Nochmals zu Pepe: Dass es sich dabei um eine eigentlich harmlose Comicfigur gehandelt hat, die dann von den Rechten in Beschlag genommen wurde, muss doch tragisch für den Schöpfer gewesen sein?
Nowotny: Ja – aber wenn die memetischen Replikationsketten erst einmal in Bewegung gesetzt sind, dann kann eine solche Bildlichkeit nicht einfach wieder «reingewaschen» werden. Ausser es ändert sich der kulturelle Kontext: Das war in Hongkong der Fall, wo Pepe als Symbol der Demokratieproteste auf einmal wieder aufgetaucht ist. Den Leuten dort war die ganze Trump-Geschichte gar nicht bekannt. Nur ein totaler Wechsel des kulturellen Rahmens kann also eine Bildlichkeit wieder neu besetzen.

Kurios ist die Anekdote über Richard Spencer, einen prominenten US-Neonazi, der auf offener Strasse ein Interview zum Pepe-Meme gab – und dann aus dem Nichts einen Faustschlag von einem Antifaschisten abbekam. Die Szene wurde selbst zum Meme und zigfach im Netz geteilt.
Reidy: Ja, das ist kurios. Aber so ist das eben mit der Referenzialität. Der Fall Pepe zeigt, warum es eines literatur- und kulturwissenschaftlichen Versuchs bedarf, sich dem Phänomen zu nähern. Denn dass ein Zeichen aus einem bestimmten Kontext plötzlich eine andere Bedeutung erlangt, ist aus unserer fachspezifischen Perspektive eigentlich trivial. In der Literaturwissenschaft weiss man längst: Die Autorin, der Autor ist tot und der Text als Zeichengebilde ist eine autonome Entität, er hat so viele Deutungspotenziale, wie es Leser:innen gibt. Deswegen ist es nicht möglich, dieses freie Spiel der Zeichen zu durchbrechen, indem man sich auf seine Autorschaft beruft. Sobald Pepe von einer kritischen Masse als Nazifrosch gelesen wird, ist es viel einfacher, wenn auch Antifaschist:innen diese Lesart akzeptieren und dann eben ein Meme produzieren, in dem Pepe verprügelt wird – das ist erfolgversprechender, als ihn als Antifafrosch für sich zu reklamieren.

Nowotny: Das ist eine grundlegende Einsicht der sogenannten Rezeptionsästhetik: Kanonisiert werden nicht nur Werke, sondern auch Auslegungen. Entsprechend ist Pepe als Nazifrosch zur kanonischen Interpretation in unserem kulturellen Kontext geworden – eben nicht zuletzt auch befeuert durch die ganzen Medienberichte.

Apropos «memetische Kriegsführung»: Auch im Kontext des Kriegs in der Ukraine werden gezielt Memes eingesetzt – die «Süddeutsche Zeitung» schrieb neulich, dass die Ukraine auch dank Memes den Meinungskampf im Internet für sich entschieden habe.
Nowotny: Da wäre ich vorsichtig: Dass die Ukraine den Meinungskampf gewonnen hat, dürfte zwar für unseren kulturellen Kontext zutreffen, aber ob das auch in anderen Weltregionen so ist? Aber es stimmt natürlich, dass beispielsweise der Twitter-Account der ukrainischen Regierung bewusst auch mit Memes arbeitet. Auch die Auftritte von Präsident Wolodimir Selenski dürften sicher auf eine bestimmte Art inszeniert sein und mit bestimmten Rhetoriken arbeiten, die darauf angelegt sind, im Internet repliziert zu werden.

Aber machen sich Militärs wirklich Gedanken darüber, wie man Memes für den Cyberwarfare nutzen kann? Ist das so relevant?
Reidy: Um das zu beurteilen, bräuchten wir nachrichtendienstliches Geheimwissen. Aber wenn ich spekulieren müsste, würde ich sagen, dass selbstverständlich Leute im Sicherheitsapparat auch memetisch denken. Gerade Wladimir Putin scheint ja eine Schwäche für esoterisch angehauchte Ideologen wie Alexander Dugin zu haben. Es ist also naheliegend, dass sein Umfeld sensibel ist für bestimmte Symbole. Wenn man etwa an die Diskussion darüber denkt, was dieses «Z» auf den russischen Militärvehikeln bedeuten soll: Das ist eine aufmerksamkeitsheischende Bildlichkeit und ein Spiel mit Esoterik, damit, dass ein Wissen einem Kreis von Eingeweihten vorbehalten ist. So etwas soll Lust erregen, mehr darüber zu erfahren. Hier wirkt dieselbe diffuse Performativität – ein Begriff von Simon Strick –, die auch Memes innewohnt: also eine Aktivierung latenter emotionaler Energien durch einfache und doch rätselhafte ästhetische Reize. Damit qualifiziert sich das «Z» auch als Meme. Ob das militärischen Nutzen hat? Wer weiss. Aber es könnte Teil einer Strategie sein.

Nowotny: Wir würden auch das Posten von Memes als Form politischen Handelns begreifen. Politische Handlungen sind ja auf einer Skala angesiedelt: Nicht nur der Urnengang, sondern eben auch eine memetische Meinungsäusserung vor einer breiten Öffentlichkeit ist politisch wirksam, drückt Werte aus und verbreitet sie. Es gibt zudem eine Verwandtschaft der Memekultur mit dem Trolling. Letzteres ist eine konfrontative Form der Kommunikation, der Provokation, der Unterwanderung – das Trolling kann auch benutzt werden, um gesellschaftliche Bruchlinien zu verstärken. Russland unterhält ja schon seit Jahren Trollfabriken, es wird also bewusst versucht, den westlichen Diskurs zu beeinflussen durch Menschen, die im Auftrag der Regierung trollen. Und das Trolling operiert sehr gerne mit Memes.

Gibt es auch linke Trollingstrategien?
Reidy: Es gibt Versuche, den Philosophen Slavoj Zizek zu einer Art linkem Jordan Peterson zu stilisieren – der kanadische Psychologe gilt der Rechten ja als Ikone im Kampf gegen die «politische Korrektheit» und ist oft Gegenstand rechter Memes. Trotzdem gibt es keine zentrale Persönlichkeit linker Memekultur, so wie das Peterson für die rechte ist – oder Elon Musk, wie man inzwischen sagen muss. Zu fragen wäre auch, ob linke Memeproduzent:innen überhaupt an solchen Personalisierungen interessiert sind.

Nowotny: Gegenwärtig gibt es ja vor allem linke Memes, die Musk kritisch benutzen, um sich über ihn und das, wofür er steht, lustig zu machen. Es ist interessant, dass es eigentlich keine linke Galionsfigur gibt. Dass Leute wie Peterson und Musk rechts so verehrt werden, liegt auch daran, dass sie ein bestimmtes Bild des männlichen Machers oder sogar Genies repräsentieren – das Bild eines Helden, der die Welt vor den ganzen feministischen und sonstigen Verirrungen retten soll. Entsprechend eine linke Heldenfigur etablieren zu wollen, würde einer kritischen linken Haltung wohl zuwiderlaufen.

Die Memeforscher:innen

Joanna Nowotny (33) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Schweizerischen Literaturarchiv in Bern, sie forscht zu Comics und schreibt freiberuflich für den «Bund». In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich mit der jüdischen Rezeption des Philosophen Sören Kierkegaard.

Julian Reidy (35) forschte und lehrte an den Universitäten Genf und Bern und habilitierte mit einer Arbeit zu Raumsemantiken in Thomas Manns Erzählwerk. Ab Sommer ist er als Gymnasiallehrer und Dozent in Bern tätig.

Das Buch «Memes. Formen und Folgen eines Internetphänomens» ist diesen Frühling im Transcript-Verlag erschienen (260 Seiten, 30 Franken).