Die Geldmaschine UBS: Der Banker als Hilfssheriff
Die Schweizer Bank setzt voll auf die US-amerikanische Karte und könnte damit zur Gefahr für die Schweizer Realwirtschaft werden.
Aus dem Zahlenberg, den die UBS an ihrer Bilanzpressekonferenz vom Dienstag aufschichtete, lassen sich drei Schlüsse ziehen:
Erstens: Die grösste Schweizer Bank schwimmt im Geld. 2004 war mit rund acht Milliarden Franken Gewinn das erfolgreichste Jahr in der Geschichte dieser Bank. Davon kommen rund sechs Milliarden Franken aus dem globalen Handel mit Wertpapieren und den Gebühren, welche die Kundschaft in der internationalen Vermögensverwaltung zahlt. Der Rest von rund zwei Milliarden Franken Gewinn kommt aus dem Handelsbankgeschäft in der Schweiz.
Zweitens: Die UBS hat sich von der Schweizer Realwirtschaft abgelöst. Die rund zwei Milliarden Franken Gewinn der Schweizer Handelsbank entsprechen nur noch einem Viertel des Totalgewinnes.
Drittens: Die UBS ist faktisch zu einer US-amerikanischen Wertschriftenbank mutiert. Die internationale Vermögensverwaltung in der Schweiz ist nicht mehr der Wachstumsmotor der UBS. Über neunzig Prozent der sechs Milliarden Franken Gewinn aus Wertschriftenhandel und Vermögensverwaltung entstammen dem US-zentrierten Geschäft.
Das Alte platt gemacht
Chapeau. Die UBS ist ein rares Beispiel einer erfolgreichen Grossfusion. Wer alt genug ist, sich noch an die beiden ursprünglichen Vorgängerinstitute zu erinnern, die Bankgesellschaft (SBG) und den Bankverein, kommt nicht umhin, der Schweizer Minderheit in der heutigen UBS-Führung Respekt zu zollen. Sie haben das Alte platt gemacht und etwas Neues geschaffen. Die Krone dafür gebührt zweifelsohne dem energischen Konzernleiter (CEO) Peter Wuffli, der die neu geschaffene Bank konsequent vom Schweizer Kreuz gelöst und unter dem Sternenbanner repositioniert hat. Alles streng nach dem Kochbuch des neoliberalen, angloamerikanischen Finanzkapitalismus.
Total entsorgt hat Wuffli beispielsweise das konservative Führungsmodell der SBG, der grösseren der beiden UBS-Vorgängerbanken. Es stammte noch vom legendären Alfred Schaefer. Dieser führte seinerzeit ein Kavallerieregiment und pflegte auch in der Bank jenen Kommandoton, den er auf der Offiziersschule gelernt hatte. Solange Schaefer, und nach ihm seine Erben - die Obristen Robert Holzach, Nikolaus Senn und Robert Studer - die alte Bankgesellschaft befehligten, machte Mann seine SBG-Karriere vornehmlich über das Militär. Mit diesem Militarismus hat Wuffli, früher Partner bei der US-amerikanischen Managementfirma McKinsey, gründlich aufgeräumt. Bei der UBS gilt ein Offiziersgrad in der Schweizer Armee heute als Ablenkung vom Geldverdienen und somit als schwerwiegendes Karrierehindernis. In der UBS-Geschäftsleitung sind Männer mit Schweizer Pass heute in der Minderheit.
Auch die Traditionen des Bankvereins, der anderen UBS-Vorgängerbank, hat Wuffli erfreulicherweise verraten. Gemeint ist die Abkehr vom Schweizer Bankgeheimnis, wie es sich in der Person von David Aufhauser konkretisiert, dem neuen Chefjuristen im US-Geschäft. Aufhauser sitzt auch im zweithöchsten Führungsgremium der Gesamtbank, dem so genannten UBS Group Managing Board. Zum «Patriot Act» - dem berüchtigten US-Antiterrorgesetz, mit dem die Bürgerrechte massiv eingeschränkt wurden - liess sich Aufhauser in der angesehenen US-Tageszeitung «Washington Post» wie folgt zitieren: «Der Patriot Act bürdet den Finanzinstitutionen die Rolle eines Bürgersoldaten auf.» Und weiter: «Diese Finanzinstitutionen sind bestens dazu in der Lage, bösartige Angriffe auf unser US-amerikanisches Finanzsystem abzuwehren.» Die Bank als Polizist statt als Schutzpatron des Bankkundengeheimnisses gegen die staatliche Neugierde - schärfer könnte auch kein Linker gegen die Essenz des Bankgeheimnisses argumentieren.
Aufhauser ist ein politisches Schwergewicht aus der Fraktion der so genannten Realisten im Lager des US-Präsidenten George Bush. Bevor er bei UBS America anheuerte, war er Lobbyist des Waffenherstellers Lockheed Martin und später Chefjurist im US-amerikanischen Finanzministerium und Experte für Terrorfinanzierung im Nationalen Sicherheitsrat. Den in US-Juristenkreisen begehrten hohen Regierungsjob hatte er Anfangs 2001 bekommen, als Dank für seine entscheidende Hilfe zum juristischen Sieg bei der umstrittenen ersten Wahl von George Bush in Florida.
Die Einstellung Aufhausers war ein schlauer Schachzug Wufflis gegen die Angriffe des einflussreichen neokonservativen Scharfmachers Frank Gaffney gewesen. Dieser hatte die UBS öffentlich als «dreckig» tituliert, weil sich das Institut seiner Meinung nach zu wenig entschlossen in die US-amerikanische Kriegsfront gegen den Islam einreihe. Nachdem der UBS-Frontmann in den USA, der Wuffli-Stellvertreter John Costas, die Attacke Gaffneys nicht wirksam zu kontern vermochte, musste etwas geschehen. Costas ist ein apolitischer Berufsmann der Finanzbranche, den die alte SBG 1996 von der Credit Suisse abwarb, bei der er seine Karriere zu Beginn der achtziger Jahre begonnen hatte.
Heute ergänzen sich Aufhauser und Costas ideal, der eine füllt die Kasse, während der andere die politische Flanke gegen Gaffney und die Neokonservativen sichert. Erwähnenswert noch: Während Gaffney offen den erzwungenen Regimewechsel im Iran und in Nordkorea propagiert, sitzt Aufhauser mit vorsichtigeren Leuten, so genannten Realisten wie Tony Zinni, Anthony Cordesman und Brent Scowcroft im Thinktank «Center for Strategic and International Studies». General Zinni war 2003 von Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz als Stabschef der US-Armee gedemütigt und entlassen worden, weil er zur Besetzung des Irak dreimal mehr Ressourcen von Wolfowitz verlangt hatte, als dieser ihm zu geben bereit war.
Lottokönig des Finanzcasinos
Während Musterschüler Peter Wuff-lis Weg nach oben mit Intelligenz, Fleiss und jenem Quäntchen Glück gepflastert war, ohne das im Leben nichts geht, ist Marcel Ospel der typische Lottokönig. Der UBS-Verwaltungsratspräsident ist ein Mann der Börse. Seine berufliche Karriere, die ihn aus dem Arbeiterquartier Kleinbasel bis an die Spitze einer Grossbank führte, ist Weltklasse. In Basel liegt er unter den Grossverdienern hinter Daniel Vasella von Novartis an zweiter Stelle. Ospel verkörpert wie kein Zweiter die Seele der neuen UBS: der grössten Aktienhändlerin der Welt, deren Berufung einzig und allein darin besteht, Kapital auf globalisierten Finanzmärkten zwecks Erzielung des Maximalgewinnes ständig hin und her zu bewegen.
Ospel will die UBS zur weltweit führenden Investmentbank machen. Dazu ist vor allem noch grösseres Wachstum im Bereich der globalen Märkte für Kreditderivate nötig sowie ein Quantensprung im Geschäft mit den Fusionen und Übernahmen in den USA. Das Wachstum der Handelsbankaktivitäten in der Schweiz hingegen ist von geringerer Bedeutung. Ospels Wachstumshoffnungen liegen klar in den USA, die wachstumstreibende Idee besteht darin, einer internationalen Privatkundschaft den erfolgreichen Zugang zu den US-amerikanischen Finanzmärkten zu organisieren. Oder, makroökonomisch ausgedrückt, dafür zu sorgen, dass die USA ihr riesiges Zahlungsbilanzdefizit auch weiterhin durch Kapitalimport aus dem Rest der Welt finanzieren können.
Gefahren für Schweizer Wirtschaft
Für die Aktienkurse und die Boni der Kaderleute der UBS mögen solch ambitiöse Pläne nur Gutes verheissen. Für die Schweizer Realwirtschaft hingegen birgt der Aufbau einer UBS-Investment-Megabank in New York auch grössere Risiken. Zum einen werden damit Schweizer Arbeitsplätze in die USA exportiert. Andererseits schafft die Parallelität von UBS-Geschäftsinteressen mit der Aussenpolitik der USA gravierende geopolitische Risiken für die Neutralität der Schweiz und ihren Finanzplatz. Was die Arbeitsplätze betrifft, beschäftigt UBS zurzeit mit je rund 26 000 MitarbeiterInnen etwa gleich viele in der Schweiz wie in den USA; dazu kommen noch rund 10 000 Angestellte im restlichen Europa und rund 4000 in Asien, macht weltweit total 66 000 Personen. Die Prognose sei hier gewagt: Je erfolgreicher das Trio Ospel, Wuffli und Costas geschäftet, desto mehr wird die Zahl der UBS-Arbeitsplätze, und damit auch das Steueraufkommen in der Schweiz schrumpfen.
Die geopolitischen Risiken der Ausrichtung der UBS auf die USA für Schweizer Unternehmen illustriert das Beispiel des Irans. Gegenwärtig verschärft die Bush-Regierung ihren Wirtschaftskrieg gegen das Mullahregime in Teheran. Noch offen ist, ob die USA dereinst tatsächlich nicht davor zurückschrecken, den Iran militärisch anzugreifen. Auf diesem unsicheren Hintergrund haben sich bereits mehrere Unternehmen aus dem Iran zurückgezogen, beispielsweise General Electric, Halliburton, BP oder Thyssen/Krupp. Andere, wie die Autobauer Renault und Fiat liessen sich bislang vom Druck aus Washington nicht einschüchtern. Als faktisch US-amerikanische Bank könnte die UBS von der US-Regierung zu einem Verhalten gegenüber dem Iran gezwungen werden, das den Interessen der Schweiz widerspricht: beispielsweise die Exportfinanzierung von Schweizer Warenlieferungen in den Iran zu stoppen oder die Mullahs durch iranfeindliches Verhalten zu Diskriminierung von Schweizer Unternehmen zu provozieren.
Im Zeichen der aktuellen Schalmeienklänge aus Washington mögen die Risiken und Gefahren einer amerikanisierten UBS für die Schweiz als klein erscheinen. Allein, wenn die USA wieder auf Kriegskurs gehen, könnte sich dies über Nacht dramatisch verändern.
Geschäftsjahr 2004
• Die UBS hat letztes Jahr einen Reingewinn von über acht Milliarden Franken erzielt. Das entspricht einer Steigerung von dreissig Prozent gegenüber dem Vorjahr.
• Das Unternehmen ist der grösste private Vermögensverwalter der Welt. Die verwalteten Vermögen der Grossbank haben einen Gesamtumfang von 2250 Milliarden Franken.
• Die UBS will bis 2008 auch im Investmentbanking (Wertschriftenhandel, Unternehmensfinanzierung, Börsengänge usw.) die Nummer eins werden. Heute liegt sie auf Platz drei.
• Die Börsenkapitalisierung der UBS - also der aktuelle Börsenwert - beträgt fast 104 Milliarden Schweizer Franken.
• Die UBS beschäftigt weltweit 66 000 Personen.