Theatersport: Sex mit Uhu

Nr. 6 –

In Zürich findet ein Kräftemessen in der Improvisationskunst statt.

Rote oder weisse Karte gibt es für die besseren Ideen, die überzeugendere Darstellung, und am Ende findet traditionell die Volksabstimmung statt - nicht auf dem Marktplatz wie zu Appenzell, sondern ganz gemütlich in Miller’s Studio in Zürich. Dem Sieger oder der Siegerin winkt der Ruhm, den aber niemanden wirklich interessiert. Das Einzige, was zählt, ist Spass. Und davon gibt es reichlich am Theatersportfestival, zu dem das Eidgenössische Improvisationstheater Zürich im Februar lädt.

Abstruse Regeln

Theatersport basiert auf einem spielerischen Wettkampf zweier Mannschaften mit ungefähr drei DarstellerInnen, die sich nach festgelegten Regeln in der Kunst des Improvisierens messen. Nach ein paar kurzen Aufwärmimprovisationen zeigen die zwei gegnerischen Teams in sieben Runden ihre Fähigkeiten zu schlagfertiger Reaktion, indem sie aus dem Stegreif schräge Figuren und Geschichten auf die Bühne hieven. Spass machen auch die abstrusen Regeln mancher Spiele: Einer redet, und ein anderer steuert die Gestik bei, oder alle Sätze einer Szene beginnen mit den fortlaufenden Buchstaben des Alphabets. Komplizierter wird es, wenn immer drei verschiedene Körperhaltungen auf der Bühne zu sehen sein müssen. Dazwischen darf es durchaus mal tiefgründig werden, wenn etwa eine Szene im Stil Franz Kafkas gefordert ist. Spass macht nicht zuletzt, dass die ZuschauerInnen als Stofflieferanten Themen vorgeben, SpielerInnen auf der Bühne positionieren, Handicaps erfinden - und da bemüht sich jeder und jede, die eigene Originalität unter Beweis zu stellen.

Es ist aber nicht zwingend, dass auf lustige Vorgaben auch lustige Szenen folgen. Der Urahn des modernen Improvisationstheaters, Keith Johnstone, warnt sogar davor, denn gerade das Naheliegende, das Einfache sei viel spannender. Ihm kann man glauben, schliesslich hat er den Theatersport erfunden, als Lockerungsübung während seiner Zeit am Royal Court Theatre in London. Seit er in den fünfziger Jahren diese neue Theaterform ins Leben rief, haben sich zuerst in England und anderswo, viel später in Deutschland und mit der üblichen Verzögerung auch in der Schweiz Truppen gebildet, die regelmässig teils intern, teils gegen andere Teams antreten.

Spiele ohne Hemmung

Als Erste gründeten hier StudentInnen vor zehn Jahren das Eidgenössische Improvisationstheater. Importiert vom Amerikaner Matthew Monte - ist doch Spontaneität nicht gerade eine helvetische Tugend. Das Zürcher E.I.T. ist trotz vielen ausverkauften Vorstellungen ein Amateurbetrieb geblieben. Doch im täglichen Leben arbeiten die SchauspielerInnen als Schreiner, Sozialarbeiterinnen, Doktoranden, die sich alle paar Abende in hemmungslose Rampensäue verwandeln. Denn hemmungslos muss sein, wer sich ohne Konzept und Regie auf eine Bühne begibt, um einfach auf sich zukommen zu lassen, was kommen will. Etwa dass die Ehefrau eröffnet, sie gehe fremd mit einem Uhu, oder man einen Schuhladen darstellt und ein anderer ihn für eine Eislaufbahn hält. Überrascht ist man wohl auch, wenn gemimtes Apfelpflücken mit den Worten «Schlagen Sie zu, Katzenfutter ist heute im Angebot» beantwortet wird.

Wie man sich rettet

Pannen sind in diesem theatralen Free Climbing unvermeidlich. «Man steht auch manchmal dumm rum, und es läuft nichts», erzählt Jane Muncke. «Eine Szene in Reimen zum Beispiel - und keinem fällt was ein. Das hagelt Buhrufe aus dem Publikum», sagt Muncke. «Aber solche Flops beweisen den Zuschauern, dass hier wirklich improvisiert wird.» Und wenn man sich nicht allein aus einer peinlichen Flaute bugsieren kann, dann springen die MitspielerInnen ein - aus dem eigenen oder auch aus dem gegnerischen Team. Denn eine gerettete Szene ist erquicklicher als ein gewonnener Punkt.

GegnerInnen und PartnerInnen des E.I.T. beim 4. Internationalen Theatersportfestival sind: die Mauerbrecher aus Freiburg im Breisgau, Paternoster aus Berlin und ma’ma’lässig aus Holland. Die Letzteren beiden sind Profitruppen, aber eingeladen wird nicht nach Renommee, sondern nach Lust und Laune. Die Chemie muss stimmen beim einzigen Sport ohne Muskelkater und Doping, in dem nicht messbare Leistungen zählen, sondern die unberechenbare Gunst des Volkes.

4. Internationales Theatersportfestival in: Zürich Miller’s Studio, 16. bis 19. Februar. Infos: www.e-i-t.ch