Neue Zeitung: Einstürzende Neubauten?

Nr. 14 –

Eins ist sicher: Wir müssen uns nach der Neugestaltung der WOZ im September 2003 (mehr Ressorts, mehr Angebote, mehr RedaktorInnen) eine Umstrukturierung einfallen lassen, die uns dauerhaft das Überleben sichert. Aber wie geht ein selbst verwalteter Betrieb ohne Chefs, ohne Chefinnen damit um, dass er die Betriebskosten senken soll? Unsere Personalkosten sind der grösste Posten im Budget, und sie sind - abgesehen von der Eigenwerbung - die einzige Variable, auf die wir Einfluss haben (an den Druckkosten, den Vertriebsgebühren, dem Inseratetarif, dem Mehrwertsteuersatz können wir schlecht etwas ändern).

Aber wo ansetzen und wie? Noch hat das Kollektiv nicht über das Budget 2005 abgestimmt - aber es ist ganz klar, dass wir Stellen und Stellenprozente streichen müssen. Die Honorare für freie MitarbeiterInnen und KorrespondentInnen können und wollen wir nicht kürzen; sie liegen ohnehin auf niedrigem Niveau (rund 400 Franken für einen ganzseitigen Beitrag).

Bleibt also die Frage: Geht jemand freiwillig - oder entlassen wir RedaktorInnen? Aber wie macht das ein Kollektiv, das in seiner fast 24-jährigen Geschichte nie GenossenschafterInnen aus betriebswirtschaftlichen Gründen gefeuert hat? Sollen die Alten gehen oder die Jungen? Haben wir Qualitätskriterien auch zur Beurteilung von KollegInnen? Lösen wir Ressorts auf und stellen die Zuständigen auf die Strasse? Veranstalten wir ein Scherbengericht (Wer passt uns, wer nicht?) oder ziehen wir Lose? Oder kommen wir am Ende darum herum?

Die Solidarität, die wir von unseren freien MitarbeiterInnen erfahren, ist enorm: Manche haben auf das Honorar bereits abgedruckter Beiträge verzichtet, andere bieten uns ihre nächsten Texte, Illustrationen oder Fotos gratis an, viele offerieren eine freiwillige Honorarkürzung. Wohl ist uns dabei nicht, schliesslich prägen die freien MitarbeiterInnen mindestens ebenso sehr den Inhalt der WOZ wie die RedaktorInnen, aber ihr freiwilliger Verzicht hilft uns über die Durststrecke hinweg.

Auch das Kollektiv hat Eigenleistungen beschlossen. So werden nach einem gemeinsamen Beschluss von vorletzter Woche alle Genossenschaftsmitglieder einen Betrag in Höhe von rund zehn Prozent ihres Lohns in die Genossenschaft und damit in das Projekt WOZ investieren. Darüber hinaus sind alle angehalten, ein Darlehen von 1000 Franken und mehr zur Verfügung zu stellen. Das ist für viele nicht einfach: Der Bruttolohn für eine 100-Prozent-WOZ-Stelle liegt seit Jahren bei 3900 Franken - wobei die meisten höchstens ein 80-Prozent-Pensum haben.

So wichtig die freiwilligen Offerten und Beschlüsse auch sind: Sie genügen nur für den Augenblick und zur Überwindung unserer aktuellen Finanzkrise. Anders ausgedrückt: Wir müssen uns überlegen, wie wir dauerhaft überleben können. Wie wir angesichts unserer eingeschränkten Möglichkeiten Ihnen, unseren LeserInnen, künftig eine Zeitung bieten können, die genauso inhaltsstark ist wie bisher - und vielleicht noch einen Zacken relevanter. Und wie wir trotzdem sparen können - und wo. Darüber diskutieren wir derzeit mit Verve.

Fest steht bisher nur, dass wir an den neuen Ressorts (Wirtschaft, Leben, Wissen, Sport) festhalten werden, dass wir in nächster Zeit keine 32-Seiten-Nummern mehr produzieren (aber das tun wir schon seit Wochen nicht, wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist), dass wir im Moment aufs Farbbild verzichten. Gleichzeitig wollen wir Platz schaffen für grosse Reportagen, für mehr Dokumentationen, für eine Vernetzung mit unserem linken Umfeld. Das klingt ein bisschen nach der Quadratur des Kreises. Aber darin haben wir ja Übung. Denn ohne Einfallsreichtum und etwas Kunstfertigkeit gäbe es uns schon lange nicht mehr.