Partnerschaft: «Son mari» und er

Nr. 19 –

Sie waren die Ersten, die in Genf den Partnerschaftsvertrag Pacs unterschrieben. Die Registrierung ist allerdings eine eher symbolische Angelegenheit. Für Patrick Berguer und Yves de Matteis ist ein nationales Gesetz deshalb ein logischer nächster Schritt.

Die blossen Füsse in braunen Segelschuhen sitzt Patrick Berguer auf einem antiken Stuhl. Er stellt die mitgebrachten Süssigkeiten nah zu sich, auf den Tisch. «Son mari» müsse nämlich auf die Linie achten. Yves de Matteis, besagter Ehemann, wird seinen Partner so viel wie möglich reden lassen, damit dieser nicht merkt, wie oft er sich vom Sofa zum Tisch beugt und nach den Makronen greift. Diesmal klappt das Ablenkmanöver nicht. Das Telefon klingelt schon zum dritten Mal. «Oh, nicht schon wieder», seufzt de Matteis und wieselt in Strümpfen über das Parkett zum Telefon. Berguer schiebt die Schachtel hinter seinen Rücken und erzählt weiter.

Vor vier Jahren, am 8. Mai 2001, haben die beiden geheiratet. So gut das als homosexuelles Paar eben geht. Im Kanton Genf heisst das den Pacs, Pacte Civil de Solidarité (Zivilrechtlicher Solidaritätsvertrag), unterschreiben. Berguer und de Matteis waren die Ersten, die das taten. Und zwar Hals über Kopf. «Meine Eltern wussten noch nicht einmal, dass ich schwul bin», erzählt Berguer. Warum hatte er es ihnen nicht gesagt? Er erinnerte sich an ein Gespräch mit seiner Mutter, die etwas im Sinn von «lieber ein behindertes als ein homosexuelles Kind» sagte. Er und seine Schwester - die lesbisch ist - hätten daraufhin lieber geschwiegen. Und das tat er bis zu jenem Tag, als er den Pacs unterschrieb. Erst wenige Tage zuvor hatte sein Partner den Termin bekommen und flugs die Presse aufs Zivilstandsamt bestellt. «Ich dachte an eine diskrete kleine Feier, und dann standen da fünf Journalisten mit Fernsehkameras, Vertreter von zehn Radiosendern und unzählige Presseleute», sagt Berguer. War ihm das recht? «Eigentlich schon, es kam nur etwas plötzlich», bis elf Uhr war er noch an der Arbeit und dann direkt aufs Standesamt. Und das fast schon erzwungene Coming-out? «Mir ist klar geworden, wie wichtig es ist, dass ich auch öffentlich zu meiner Homosexualität stehe», sagt Berguer. Ein Teufelskreis sei das sonst: Seine Homosexualität aus Scham zu verstecken, provoziere nur mehr Vorurteile und Diskriminierung, und diese wiederum seien schuld am Versteckspiel. Und schliesslich hätten es selbst seine ziemlich konservativen Eltern gut aufgenommen.

Nun ist Yves de Matteis mit dem Erzählen dran und muss sich noch eine Makrone greifen. Am Telefon war ein Freund aus Algerien, der dort eine Aidshilfe gründen wollte. Wollte, denn sobald der Staat Wind vom Projekt bekam, warf er den Urheber der Idee ins Gefängnis. Unterdessen ist er wieder frei - auch dank de Matteis’ Hilfe. «Die Gegner des Partnerschaftsgesetzes in der Schweiz haben Angst, dass die nächste Forderung der Homosexuellen das Recht auf Adoption sein wird», sagt der 41-Jährige. Aber ihn beschäftige das momentan wirklich nicht. «Für mich und auch viele andere ist es wichtiger, auf der ganzen Welt dagegen anzukämpfen, dass Schwule und Lesben ihrer Sexualität wegen verhaftet oder gar getötet werden», sagt er. De Matteis fordert seit Jahren Gleichberechtigung für Homosexuelle. Er war der erste Sekretär von Pink Cross Romandie und im Vorstand von 360°, einer Genfer Organisation, die seit 1997 für die Gleichberechtigung einsteht. Heute ist er einer der zwei europäischen Vertreter im Präsidium des Ilga, des Internationalen Dachverbandes der Lesben und Schwulen. Alles nebenberuflich, zu fünfzig Prozent arbeitet er bei der Stadt Genf als Informationsbeauftragter. Und mit ihm ist auch sein Partner militant geworden. Er, dessen Arbeitskollegen noch vor vier Jahren nicht wussten, dass er schwul ist, engagiert sich heute in der Gruppe LGBT (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgenders) von Amnesty International.

Das eidgenössische Partnerschaftsgesetz, über das am 5. Juni abgestimmt wird, ist für die beiden die logische Folge der kantonalen Registrierung, wie es sie schon in Genf, Zürich und Neuenburg gibt. Das Genfer Parlament winkte die Registrierung der Partnerschaft - nach dem französischen Modell ebenfalls Pacs genannt - am 15. Februar 2001 als erstes durch. Der Vertrag kann sowohl von homosexuellen als auch von heterosexuellen Paaren unterschrieben werden. «Aber es ist ein ziemlich symbolischer Vertrag», sagt Berguer. Immerhin werden die «pacsés» von den Behörden als Paar anerkannt. Die Partner haben Besuchsrecht im Gefängnis und im Spital, haben dieselben Rechte wie ein Ehepartner, was Mietverträge angeht und müssen vor Gericht nicht gegeneinander aussagen. Erst das Gesetz auf eidgenössischer Ebene wird auch Steuern, Erbschaft, Rentenanspruch und Unterstützungspflicht regeln.

Nun ist es halb acht abends, und es ist Zeit für die Nachrichten. De Matteis öffnet den Wandschrank und schaltet den Fernseher ein. Er entschuldigt sich nochmals für die Unordnung. Er zügle halt wieder einmal seine Unterlagen von einer Wohnung in die andere. Nicht weniger oft zieht das Paar selbst hin und her. Auch Patrick Berguer besitzt im selben Genfer Quartier eine Wohnung. Und wenn Freunde in Genf ein Bett brauchen, dann machen de Matteis und Berguer ihnen eben Platz. Vor einigen Tagen waren Delegierte der Ilga zu Besuch, die in Genf in einer Menschenrechtskommission mitarbeiteten. Eine Matratze lehnt noch an der Esszimmerwand. «Und in jenem Schlafzimmer wohnt ein älterer Herr und in diesem hier eine junge Lesbe.» De Matteis führt durch die Wohnung, greift sich in der Küche eine Hand voll Kandiszucker und legt sich endlich vor dem Fernseher aufs Sofa. Als es verdächtig zwischen seinen Zähnen knirscht, hebt Berguer sogleich den Blick und fragt grinsend: «Qu’est-ce que vous faites?» - Was tun Sie da? Er meint «son mari». Sie würden sich oft siezen, damit es beim Streit anständig bleibe.