Hansruedi Hasler: Ein stiller Denker
Ab dem 10. Juni nimmt die Schweiz erstmals an einer U-20-Weltmeisterschaft teil. Für Hansruedi Hasler, Technischer Direktor des SFV, hat Nachwuchsförderung einen gesellschaftlichen Wert.
«Jacques Guhl war ein absoluter Pionier. Die ganze Schweiz nahm zur Kenntnis, wie gut die Nachwuchsmannschaften von Sion spielten, wie weit es die erste Mannschaft brachte - sehr oft mit jungen Walliser Spielern -, wie viele den Sprung in den internationalen Fussball schafften, aber man machte sich offensichtlich nicht die Mühe, das Sittener Modell zu analysieren und sich zu fragen, wie man es auf die Schweiz hätte übertragen können», sagt Hansruedi Hasler, Technischer Direktor des Schweizerischen Fussballverbands (SFV).
Wie für Guhl ist auch für Hasler der gesellschaftliche Wert des Fussballs unbestritten. «Ich habe mit all jenen rechtsorientierten Leuten Mühe, die nicht einsehen wollen, wie wichtig die Bildung für unser Land ist, und die dort sparen wollen. Und mit jenen, die den Wert des Fussballs, des Sports allgemein, für die Gesellschaft nicht sehen. Sechzig Prozent der jugendlichen Fussballer sind Ausländer, und sie werden mehr oder weniger problemlos integriert. Dafür müsste der Staat eigentlich den Fussball bezahlen.»
Der Sport, kritisiert Hasler, wird von politischer Seite nicht ernst genug genommen. «Man sieht immer nur die sportliche Leistung, was da aber sonst noch an Erziehungsarbeit möglich ist, wenn man es gut macht - und es wird sehr oft gut gemacht -, das wird von politischer Seite nicht genügend respektiert. Die Linke achtet sehr oft den Sport grundsätzlich zu gering, die Rechte akzeptiert die Bildungsaufgaben des Staats, auch durch den Sport, nicht genug.»
Hasler, promovierter Erziehungswissenschaftler und ehemaliger NLA-Fussballer, ist seit zehn Jahren Technischer Direktor des SFV. Bis zu seinem Amtsantritt 1995 waren die Möglichkeiten der Nachwuchsförderung im SFV beschränkt. Es gab einen einzigen Profitrainer für die fünf Juniorennationalteams. Man arbeitete im Nebenamt. Mit Hasler kam die Professionalisierung, möglich gemacht durch die finanziellen Mittel, die die damalige Kreditanstalt und heutige CS in die Nachwuchsförderung einschoss. Heute verfügt der Technische Direktor über einen Stab von zehn Profitrainern für die Nachwuchsarbeit.
Und die trägt Früchte. Europameister mit dem U-17-Team, EM-Halbfinalqualifikation mit der U-19 und U-21, Qualifikation für die am 10. Juni beginnende U-20-Weltmeisterschaft in Holland, zum ersten Mal überhaupt, ein Höhepunkt in der 110-jährigen Geschichte des SFV: dies die geraffte Liste der Erfolge der Ära Hasler. Es sind dies die Erfolge eines ganzen Trainerteams mit seiner einheitlichen, gemeinsam erarbeiteten Spielphilosophie. «Es hat keine Selbstdarsteller und Egoisten darunter», sagt Hasler über seine Crew. «Wir wollen als Team weiterkommen.» Bescheidenheit gepaart mit Fachkompetenz als Schlüssel zum Erfolg. Auch der Chef sucht das Rampenlicht nicht. Er ist ein stiller Denker im Hintergrund.
«Reflexion kann verunsichern. Damit müssen Sportstudenten leben lernen», schrieb Hasler in seiner Dissertation über die Aufgabe der Theorie in der Sportlehrerausbildung. Als reflektierender Mensch stellt er auch selber immer wieder sicher Geglaubtes infrage. «Ja, ich bin nicht in allem sicher», sagt er, «mich verunsichert im Moment der Markt im Spitzenfussball: die Tatsache, dass uns ein paar europäische Grossklubs mit ihren Scouts und einer Bande von Spielervermittlern die Jungen halb verrückt machen. Wir müssen uns fragen, ob wir die Jungen auch persönlich stark genug machen, sodass sie mit diesen Verführungen und Gefährdungen vernünftig umgehen können. Wenn ein U-17-Nationalspieler einen Dreijahresvertrag angeboten bekommt für zwei Millionen Franken, macht mir das Sorgen. Diese Machtkonzentration, diese Unverfrorenheit von Grossklubs wie Chelsea, das ist etwas, was mich sehr beschäftigt.»