Durch den Monat mit Lia Wälti (Teil 3): Wie sind Sie zum Fussball gekommen?

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Die Schweizer Frauenfussball-Nationalmannschaft bestreitet ihre erste Weltmeisterschaft. Mittelfeldspielerin Lia Wälti über ihre Eindrücke in Kanada, ihre sportlichen Anfänge in Langnau und Männer im Frauenfussball.

Lia Wälti: «Mädchenfussball war in Langnau zu Beginn der nuller Jahre ziemlich angesagt.»

WOZ: Lia Wälti, Sie haben die ersten Partien an der Weltmeisterschaft hinter sich. Gegen Japan und Ecuador spielten Sie im British Columbia Place Stadium in Vancouver, wo die Eröffnungs- und die Schlussfeier der Olympischen Winterspiele 2010 stattfanden. Wie war das?
Lia Wälti: Es war eindrücklich. Das Stadion liegt in der Innenstadt von Vancouver und ist schon von aussen gesehen imposant. Von innen erst recht. Ich hatte Gänsehaut. Im Spiel habe ich mich von der Stimmung der 26 000 Zuschauerinnen und Zuschauer tragen lassen.

Im Spiel gegen Japan hatte man den Eindruck, die Mehrheit des Publikums stehe auf Schweizer Seite.
Wir waren der Aussenseiter. Niemand hat damit gerechnet, dass wir mit Japan mitspielen können. Wir haben positiv überrascht, so wie wir es uns vorgenommen hatten.

Zwar hat Ihr Team 0 : 1 verloren, doch dann folgte das 10 : 1 gegen Ecuador: Dieser Sieg hat über die Schweiz hinaus für Aufsehen gesorgt.
Gegen Japan hatten wir nichts zu verlieren und haben trotz der knappen Niederlage dank unserer Leistung ein gutes Gefühl mitgenommen. Aber wir wussten schon vorher, dass die Partien gegen Ecuador und Kamerun die entscheidenden sein würden. Daher gingen wir sehr konzentriert in die Begegnung. Anfangs hatten wir zwar noch etwas Mühe, in der zweiten Halbzeit konnten wir dann aber sogar etwas für das Torverhältnis tun. Das könnte entscheidend sein.

Die Weltmeisterschaft ist Ihr bisheriger Karrierehöhepunkt. Wie lange haben Sie darauf hingearbeitet?
Ich habe mit acht angefangen, Fussball zu spielen. Mit vierzehn, als ich ins Nachwuchszentrum in Huttwil aufgenommen wurde, wurde Fussball für mich zum Leistungssport.

Fussball gilt heute nicht mehr allein als Männersport. Doch laut einer statistischen Erhebung des Fussballverbands kommen Mädchen noch immer oft über eine männliche Bezugsperson zum Fussball: einen Vater, der Fussballer war oder Trainer ist, Brüder oder Kameraden, die spielen. Wie war es bei Ihnen?
Ähnlich. Mein Vater, früher selbst Fussballer, war Trainer beim FC Langnau. Zudem hat er an der Sekundarschule unterrichtet. Dadurch war der Mädchenfussball in Langnau zu Beginn der nuller Jahre ziemlich angesagt. Davon habe ich profitiert – übrigens auch meine Schwester, die in der Nationalliga A bei den YB-Frauen spielt wie ich früher. Überhaupt machte der Frauenfussball damals einen grossen Sprung. Das entsprach einerseits einem gesellschaftlichen Trend, andererseits machte sich der Verband unter der Führung des damaligen Technischen Direktors Hansruedi Hasler und der Nationaltrainerin Béatrice von Siebenthal daran, den Frauenfussball gezielt zu fördern.

Eine Massnahme bestand in der Gründung des besagten Nachwuchszentrums in Huttwil, das auch Sie besuchten – und das unterdessen nach Biel umgezogen ist. Daneben haben Sie lange mit Knaben zusammen gespielt.
Ja, bis sechzehn. Damals hatte ich bereits zu den YB-Frauen gewechselt. Die gemeinsame Ausbildung mit den Knaben war für meine Entwicklung wichtig. Das Spiel ist härter und schneller als bei den Mädchen, davon profitiert man später. Erst mit der Pubertät werden die körperlichen Unterschiede dann zu gross.

Ein immer wiederkehrendes Argument gegen den Frauenfussball lautet, dass selbst die besten Frauenmannschaften aufgrund der Physis nicht in der Lage seien, gut ausgebildete männliche Junioren zu schlagen.
Das gilt für die Schweiz. Mit Turbine Potsdam spielen wir in der Vorbereitung gegen Kreisligateams mit erwachsenen Männern und gewinnen. Dass wir nie so schnell laufen oder so hart schiessen werden wie Männer, ist klar. Technisch und taktisch spielen wir aber auf höchstem Niveau. Das gibt dem Frauenfussball eine eigene Qualität.

Wenn Spielerinnen über Frauenfussball sprechen, werden oft beide Geschlechter verwendet: Manchmal sagen sie Stürmer, manchmal Stürmerin, Martina Voss-Tecklenburg heisst bei Ihnen eher «die Trainerin», die Torhüterin wird aber «der Goalie» genannt. Finden Sie es wichtig, welche Bezeichnungen verwendet werden?
Das spielt für mich grundsätzlich keine Rolle. Das soll jeder handhaben, wie er will. Ich finde es aber schöner, als «Spielerin» angesprochen zu werden.

In den obersten Ligen der Schweiz und Deutschlands sind männliche Trainer in der grossen Überzahl. Sie sind von Männern wie von Frauen trainiert worden. Gibt es Unterschiede?
Zwischen jedem Trainer oder jeder Trainerin gibt es fachliche und persönliche Unterschiede. Ich glaube nicht, dass das jeweils mit dem Geschlecht zusammenhängt. Für mich spielt es auch keine Rolle, dass im Frauenfussball generell viele Funktionen von Männern wahrgenommen werden. Ob ich gerne mit jemandem zusammenarbeite, hängt nicht davon ab, welches Geschlecht er oder sie hat.

Lia Wälti (22) ist Fussballprofi und bestreitet mit der Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft in Kanada. Trotz der jüngsten Niederlage gegen Kamerun (1 : 2) hat das Team die Achtelfinals erreicht. In der Nacht auf Montag um 1.30 Uhr MEZ treffen die SchweizerInnen auf das Team
 des Gastgebers Kanada.