Styroporsplitter (1): Gewissenshelme

Nr. 24 –

Beim Velofahren sind Helme genauso notwendig wie beim Spazieren oder Autofahren. Denn das Risiko einer schweren Kopfverletzung ist bei allen diesen alltäglichen Beschäftigungen ähnlich hoch und der zu erwartende Nutzen ähnlich gering.

Wenn man also akzeptiert, dass Autofahrerinnen oder Spaziergänger das Ansinnen weit von sich weisen würden, sich einen Plastikdeckel bei jeder Fahrt oder jedem Verlassen des Hauses auf den Kopf schnallen zu müssen, wenn man sogar akzeptiert, dieses Ansinnen gar nicht erst zu stellen, weil es auf wütenden Protest stiesse, wenn man weiterhin zur Kenntnis nimmt, dass Autofahrer und Fussgängerinnen die überwiegende Mehrzahl aller tödlich kopfverletzten Unfallopfer stellen - was bleibt dann? Warum geht die Forderung nach einer Helmpflicht beim Velofahren nahezu widerspruchslos durch?

Das Velogeschäft stagniert, die Profitraten sinken. Dass der Handel mit billig produzierten, aber teuer verkauften bunten Styroporverpackungen der Branche wie der rettende Strohhalm erscheinen mag, damit ist das Helmobligatorium-Mantra alleine nicht zu erklären. Hier ist mehr im Spiel.

Velofahren ist nicht gefährlich, jedenfalls nicht gefährlicher als andere alltägliche Aktivitäten, die niemand für gefährlich hält. Aber es könnte ungefährlicher sein. Die Rezepte dafür sind bekannt: Temporeduktion des motorisierten Verkehrs, bessere Ausbildung der VelofahrerInnen. Aber seien wir ehrlich: Wer propagiert wirksame Abhilfen, die auf eigene Verhaltensänderungen hinausliefen? Da ist es doch einfacher und billiger, wenn man die bunt eingefärbte Sicherheit im Laden kaufen kann.

Und wenn man als AutofahrerIn, spätabends, vielleicht etwas übermüdet und sicherlich zu schnell beim Abbiegen über den Veloweg eine Velofahrerin über den Haufen gefahren und vom Leben zum Tode befördert hat, wenn die offenbar mangelhafte Sichtbeziehung der Radfahrerin leider nicht vorzuwerfen war, wenn der Verkehrsplaner, der sie zu verantworten hätte, weit weg ist, wenn es an der Beleuchtung auch nicht mangelte, dann stellt die offensichtlich fehlende Kopfbedeckung der Velofahrerin ja vielleicht den Rettungsanker dar, der den Seelenfrieden wieder herstellt.


Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) möchte in der Schweiz ein Velohelmobligatorium einführen. Mehr dazu: www.woz.ch/artikel/archiv/11915.html