Styroporsplitter (2): Menschenverstand™
«Dass ein Velohelm schützt, ist doch logisch. Das sagt allein schon der gesunde Menschenverstand!» (Der Leserbriefklassiker)
Wer sich gegen das geplante Velohelmobligatorium äussert - zum Beispiel mit dem Hinweis, dass diesen Styroporschalen noch nie irgendeine Schutzwirkung nachgewiesen werden konnte -, hat das gesunde Volksempfinden subito gegen sich. Der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass so ein Helm zumindest eine geringe Schutzwirkung haben muss (wo es doch ein Helm ist!). Vielleicht sogar eine gigantische. Und da einem der gesunde Menschenverstand ja auch sagt, dass die Wahrheit «bekanntlich in der Mitte liegt», ist bewiesen: Der Helm wirkt gerade richtig.
Gegen den gesunden Menschenverstand kommt nichts an. Er ist der bewusste Verzicht auf Logik und Fakten. Wer ihn anruft, ist entweder unfähig oder nicht willens, seine Behauptung zu belegen. Wer den gesunden Menschenverstand bemüht, bekennt sich dazu, nicht wissen, sondern glauben zu wollen.
Nun haben wir hierzulande ja Religionsfreiheit. An Velohelme darf man genauso glauben wie an Bhagwan und die jungfräuliche Geburt, und kein Wächterrat schreitet ein, wenn sich jemand mit rosa Gewändern, Dornenkronen oder Styroporschalen kleidet.
Die gleiche Religionsfreiheit erlaubt nicht nur, diese Kleidungsstücke zu tragen, sondern auch, darauf zu verzichten. Nur ein Gottesstaat begründet seine Gesetze mit dem richtigen Glauben. Wer anderen vorschreiben will, was sie beim Velofahren auf dem Kopf zu tragen hätten, muss daher in die Pflicht genommen werden, dies zu begründen. Nicht mit Glaubensbekenntnissen, sondern mit Tatsachen. Zum Beispiel einem Nachweis, dass das Tragen von Styroporschalen auf dem Kopf zu weniger Kopfverletzungen führt.
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) möchte in der Schweiz ein Velohelmobligatorium einführen. Mehr dazu: www.woz.ch/artikel/archiv/11915.html